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Vorrede des Verfassers.
was wir über die Gleichheit der Figuren, über die Unterscheidung identischer
Figuren in congruente und symmetrische in jedem Raum von einer gegebenen
Anzahl von Dimensionen und über die stetigen Systeme unveränderlicher Fi
guren gesagt haben, geht klar hervor, dass wir von der Bewegung der Körper
oder der starren Systeme bei. der Behandlung der Grundbegriffe keinen Ge
brauch machen.
Heute nach den berühmten Arbeiten von Helmholtz, welcher behauptet
„von Congruenz könne keine Rede sein, wenn sich die starren Körper oder
Punktsysteme nicht gegeneinander bewegen lassen“, erklärt ein Theil der Au
toren dieses Anschauungsprincip für unentbehrlich zur Entwicklung der Geo
metrie und macht ausdrücklich in den Elementarbüchern der Geometrie Gebrauch
davon, während es nicht allein nicht unentbehrlich ist, sondern auch ohne
Einbusse an der nöthigen Strenge nicht zur Verwendung kommen kann. Dieses
Princip hängt vielmehr von den Eigenschaften des besonderen geometrischen
Dings ab, in welchem nach der Voraussetzung die Bewegung vor sich geht:
auf die Definition der Gleichheit der Figuren in einem Raum von n Dimen
sionen (n i> 1) angewendet, schränkt es diesen Begriff auf die Congruenz allein
ein und macht ihn* von den Dimensionen dieses Raums abhängig: ja es be
schränkt auch die Congruenz, indem es sie von allen Merkmalen der An
schauungslinien abhängen lässt; es setzt nicht nur in dem Raum die Existenz
von Figuren voraus, welche jeder andern gegebenen Figur identisch sind, son
dern sogar stetige Systeme unveränderlicher Figuren, während sich doch alle
diese Eigenschaften aus der Construction des Raums ableiten lassen. Um er
klärt zu werden, muss es sich selbst auf das Princip der Identität stützen.
Es kann daher nicht dazu dienen das geometrische Continuum abstract zu
definiren und ist, wie schon gesagt, nur für die praktischen Anwendungen
nötliig.
Mit diesem Allen wollen wir nicht sagen, dass man bei der Aufstellung
der geometrischen Axiome nicht von der Bewegung, welche eine ursprüngliche
Idee ist, Gebrauch machen solle, wie auch nicht, dass die Bewegung zur Bil
dung der geometrischen Vorstellungen nicht nöthig sei; es ist dies ein psycho
logisches Problem, welches uns nichts angeht; wohl aber behaupten wir, dass
die Bewegung als nothwendiges Princip aus den Fundamenten der theoretischen
Geometrie ausgeschlossen werden muss.*)
Bisher haben wir immer von dem wissenschaftlichen Problem in seiner
ganzen Allgemeinheit gesprochen. Die Erörterung der Grundbegriffe der Ma
thematik kann aber die didaktische Seite der Frage, wie wir schon angedeutet
haben, nicht ausser Acht lassen.
1) Siehe darüber die §§ 9, 22 u. 23 des Buches I mit den bezüglichen Betrachtungen
der Einleitung, die §§ 18, 19, 20 des Buches II des I. Theils und die entsprechenden Para
graphen der andern Bücher. Weil wir in dieser Beziehung von Helmholtz wie auch von
Newton. abweichen, nach welchem die Geometrie nur ein Theil der Mechanik ist (Phil, nat,
Principia math. 2. Ausg. Cambridge. S. 273) und es sich um so angesehene Autoritäten
handelt, so haben wir geglaubt noch andre Gründe zur Unterstützung unsrer These an
geben zu sollen; es wird dies im Anhang geschehen.