Historisch-kritische Untersuchungen über die Principien der Geometrie. 647
Setzung dass die x, R und a reell sind, von constanter Krümmung und einfach
zusammenhängend ist und zeigt, dass in einer solchen Mannigfaltigkeit sich
die Yariabelen derart wählen lassen, dass die geodätischen Linien und die
Transformationen, welche die Massverhältnisse unverändert lassen, durch lineare
Gleichungen dargestellt werden. Er bringt dann diese Theorie mit der Euclid’-
schen und der nicht-Elidid’sehen. Geometrie in Beziehung. 1 )
Lobatschewsky und J. Bolyai wurde vorgeworfen, sie hätten die Möglich
keit ihres Systems nicht bewiesen, obwohl sie die trigonometrischen Formeln
dieses Systems aufstellten, welche eine Constante k enthalten und das Eudid’-
sche System geben, wenn k unendlich gross wird. Denselben Vorwurf kann
man auch Riemcmn machen; denn in seiner Arbeit findet sich kein wirklicher
wenigstens kein ausgeführter Beweis der logischen Möglichkeit einer Mannig
faltigkeit von constanter positiver oder negativer Krümmung oder einer Krüm
mung gleich Null, wenn auch nach dem, was wir in der Vorrede ausführten,
kein Grund vorhanden ist daran zu zweifeln. Für die Geometrie von zwei
Dimensionen gibt es einen experimentellen Beweis der Unmöglichkeit das
Postulat Elidid’s mittelst seiner andern Postulate zu beweisen. Diesen Beweis
liefert die Kugelfläche in dem Gebiet unsrer äusseren Beobachtungen und
ebenso ein Theil der pseudosphärischen Fläche, auf welcher die Summe der
Dreieckswinkel kleiner als zwei Rechte ist. In diesem Fall unterliegt es keinem
Zweifel, dass sich die Eigenschaften der Fläche ändern, wenn man das Beobach
tungsgebiet und damit die Fläche selbst ausdehnt; denn in den grossem Drei
ecken wächst die Differenz von zwei Rechten immer mehr. Man hat dagegen
keinen analogen Beweis für die Geometrie, welche für die richtigste gehalten
wird. Denn die Ebene, die eine Fläche ist, welche unabhängig von den zu
ihrer Bestimmung gegebenen Postulaten existirt, kann bei Vergrösserung des
Beobachtungsgebiets sowohl der Riemann’sehen wie der Lobatsdieivsky’sehen
Geometrie genügen, auch wenn gegenwärtig die Summe der Winkel in grossem
Dreiecken mit sehr grosser Annäherung zwei Rechte beträgt.
In dem Raum von drei Dimensionen erhält man einen weitern Beweis zu
Gunsten der Systeme Lobatsdiewshy’s und Riemann’s, wenn man eine (reelle
oder imaginäre) Fläche zweiten Grades in dem Beobachtungsgebiet in Betracht
zieht und auf sie die Definition des Abstandes und des Winkels von Cayley
anwendet. Weil nun in dem Lobatsdieivsky’sehen System die Geometrie auf
der Grenzfläche der Geometrie der Eudid’sehen Ebene identisch ist, so erhält
man mithin auch einen Beweis der Möglichkeit des Eudid sehen Postulats in
der ebenen Geometrie.
Da wir in der äusseren Umgebung mittelst der descriptiven Geometrie
die Parallelprojection einer als absolut betrachteten Fläche zweiten Grades von
1) Hach Biemann und Beltrami haben noch viele andre Autoren speciell über die
Theorie der Krümmung der Mannigfaltigkeiten von mehreren Dimensionen geschrieben;
sie haben aber nicht die Principien der Geometrie als Zweck im Auge. Ich hebe daher
nur das Theorem von Brill hervor, nach welchem der pseudosphärische Raum von drei
Dimensionen nicht in dem Eudid'sehen Raum von vier Dimensionen, dagegen in dem Raum
von fünf Dimensionen existirt.