Full text: Grundzüge der Geometrie von mehreren Dimensionen und mehreren Arten gradliniger Einheiten in elementarer Form entwickelt

Historisch-kritische Untersuchungen über die Principien der Geometrie. 649 
Eine andre Aibeit von hervorragender Bedeutung hei diesen allgemeinen 
Studien über die Principien der Geometrie wurde 1859 von A. Cayley ver 
öffentlicht, einem der fruchtbarsten und originellsten neueren Mathematiker.') 
Sie hat die Geometrie von einer und zwei Dimensionen zum Gegenstand und 
betrachtet sie als eine Interpretation der Theorie der binären und ternären 
Formen, welche derselbe Autor in früheren Abhandlungen entwickelte. Ihr 
Hauptzweck ist, die metrische Geometrie aus der projectiven Geometrie ab 
zuleiten. Er nimmt daher grundsätzlich an, dass jeder Punkt der Graden oder 
der Ebene durch zwei oder drei homogene Coordinaten bestimmt werde und 
umgekehrt (unbeschadet der nöthigen Ausnahmen), ohne jedoch wie Hiemann 
irgend einen geometrischen Grund für dieses verwickelte Axiom anzuführen. 
Dann setzt er auch als Axiom fest, eine lineare Gleichung stelle eine Grade 
in der Art vor, dass eine Grade durch drei homogene Coordinaten, welche 
grade die Coefficienten ihrer Gleichung sind, bestimmt wird. Mit diesen Eigen 
schaften allein entwickelt Cayley die Principien der projectiven Geometrie der 
Graden und der Ebene und erreicht ein glänzendes Resultat. 
Nachdem er diese Sätze und besonders auch die Bedingung vorausgeschickt 
hat, unter welcher zwei Punktepaare harmonisch conjugirt sind, führt er den 
originellen Begriff des auf ein andres geometrisches Ding, das Absolute, be 
zogenen Abstandes ein. Bei der Graden ist das Absolute durch ein Punkte 
paar A 1 A 2 gegeben. Indem er ein andres Punktepaar PP' in Betracht zieht, 
welches er als in A X A 2 eingeschrieben ansieht, bestimmt er die Doppelpunkte 
der Involution A l A 2 , PP'. Einen dieser Punkte nennt er das Einschreibung s- 
centrum, den andern die Einschreibungsaxe. Das Paar PP heisst point-pair 
circle oder circle (Kreis), das Einschreibungscentrum resp. Axe sind das Cen 
trum und die Axe des „circle“. Als Definition gibt er an, dass die beiden 
Punkte eines „circle“ gleiclmeit vom Centrum abstehen. 
Um den Massstab zu erhalten construirt er P" derart, dass PP" bezüglich 
P' als Centrum ein „circle“ ist; d. h. P" ist der P entsprechende Punkt in 
der Umhüllung, welche durch das Paar A,A., und den Doppelpunkt P' be 
stimmt wird. Der Punkt P' liegt innerhalb des Segments (PP"). Ebenso 
Mem. della R. Acc. rli Torino, 1877. Lettre ä M. Quetelet. Bulletin de l’Ac. R. de Bel- 
gique Bd. XXXYI, 1873. 
G. Bertranä und Bellavitis leugnen mit Recht, dass man die Geometrie nur auf Ver 
nunftschlüssen aufbauen könne, weil man die Raumanschauung zu Hülfe nehmen muss; 
sie gehen aber zu weit, wenn sie wie die Kantianer die absolute Evidenz des JEuclid'sehen 
Postulats V aufrecht erhalten. Sie, wie auch andre Mathematiker, haben sich der Be 
trachtung verschlossen, dass, wenn wir auch aus der Erfahrung oder Anschauung, welche 
in einem beschränkten Gebiet des Raums ausgeübt wird, unsre Axiome entnehmen, doch 
in der Geometrie alle diejenigen abstracten Hypothesen möglich sind, welche der Raum 
anschauung nicht widersprechen. Sie haben daher, wie wir in der Vorrede ausführten, 
ebensowenig Recht, wie die“ Mathematiker, welche die geometrische Möglichkeit nur von 
dem abstracten oder analytischen Gesichtspunkt aus betrachten. 
Unter den vielen Kritiken der Beweise des Euclid'sehen Postulats ist diejenige Lü- 
roth's bekannt: Ueber Bertrcmd's Beweis des Parallelenaxioms. Zeitsch. von Schlömilch. 
XXI. S. 294—297. 
1) A sixth memoir upon quantics. Phil. Trans, of the Roy. Society of London. 1859; 
oder auch Collected papers, London, Bd. II, 1889.
	        
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