Full text: Grundzüge der Geometrie von mehreren Dimensionen und mehreren Arten gradliniger Einheiten in elementarer Form entwickelt

69G Ueber die Definitionen von Winkel zweier Strahlen oder zweier Graden u. s. w. 
genügt keine dieser Definitionen vollständig. Neuerdings ist dieser Gegenstand 
in der Zeitschrift für math. Unterricht von Hoffmann erörtert worden (1889 bis 
1890). Die hauptsächlichen geometrischen Definitionen dieses Dings sind die 
folgenden: 
1) Der ebene Winkel ist die Neigung zweier Linien in der Ebene, welche 
sich schneiden und nicht in derselben Graden liegen. Der Winkel heisst grad 
linig, wemi die Linien Grade sind (Euclid). 
Durch den ersten Theil werden zwei Strahlen, welche in grader Linie 
liegen, ausgeschlossen, während z. B. zwei Bogen derselben Kreislinie mit einem 
seine Neigung, die Bewegung starrer Körper aus der Geometrie auszusehliessen, auf. Diese 
Tendenz bemerkten wir auch in dem Buch de Tilhf s, während er später, wie wir sahen, 
ausgedehnten Gebrauch von ihr macht. Wir finden dies auch in den Axiomen Grass 
mann' s; er hat aber nicht nur die Begriffe, 'welche ihm zur Erzeugung der stetigen abs- 
tracten Formen dienen, nicht hinreichend definirt, sondern auch den Begriff' der Gleichheit 
nicht derart entwickelt, um ihn bei den geometrischen Untersuchungen nutzbar zu machen; 
auch seine Axiome sind nicht genug entwickelt. Man kann daher nicht wissen, was seine 
Ideen in dieser Beziehung gewesen sind. Wie wir schon anderswo sagten, sind unbe 
stimmte Vorstellungen in solchen Fragen wenig oder nichts werth, wenn man nicht zeigt, 
dass sie thatsächlicli verwirklicht werden können. Diese Tendenz fällt noch mehr in den 
Arbeiten Klein's und Lie's in die Augen, wenn sie freilich auch nie die Absicht dar- 
gethan haben, die Bewegung aus den Elementen der Geometrie auszusehliessen; höchstens 
Klein sagt in seiner letzten Abhandlung, welche gleichzeitig mit der unsrigen über das 
gradlinige Continuum (siehe Vorr. S. 1) veröffentlicht wurde, man könne anfangen, die 
Geometrie mittelst der optischen statt der mechanischen Eigenschaften zu behandeln. 
Lindemann, welcher, wie wir sagten, in seinem neuen Buch principiell der Richtung 
Klein's folgt, scheint vielmehr die Bewegung für nothwendig zu halten, wie sie es auch 
in der That bei den praktischen Construetioneu ist. Macht man daher diesen Unter 
schied nicht, so haben die Verfechter dieser Ansicht wohl dem Princip nach Recht aber 
nicht in dem Sinn, wie er gewöhnlich aufgefasst wird. Die Gründe, warum wir finden, 
die genannten Autoren hätten die Tendenz die Bewegung auszusehliessen. sind die folgen 
den. Die Betrachtungen, welche sie über die Bewegung anstellen um die Transforma 
tionen festzustellen, welche z. B. den Kegelschnitt im Unendlichgrossen der Ebene in sich 
selbst verändern und welche die Function des Abstandes zwischen zwei Punkten unver 
ändert lassen, sind streng genommen nicht nöthig. Lässt man freilich diese Betrachtungen 
weg, so verfällt man auch bei der Behandlung der Principien auf die wunderlichsten 
Kunstgriffe. Ferner ist zu bedauern, dass sie den Begriff der Gleichheit, wenn nicht zuerst 
bei den Figuren, doch später bei der Erörterung und den Formeln, von welchen die 
Entwicklung ihrer Arbeiten abhängt, gebrauchen, während die analytischen Begriffe doch 
nur aushülfsweise, nicht aber für die eigentliche Geometrie nöthig sind. Ueberdies beziehen 
sich die analytischen Betrachtungen bis heute noch auf einen Raum S n aber nicht auf den 
allgemeinen Raum. Aber auch für den in dem allgemeinen Raum enthaltenen Raum S n 
liefert uns diese Methode nicht die absolute Gleichheit der Figuren, weil man bei der 
Faltung einer Figur des Raums von n Dimensionen ohne Verzerrung oder Bruch die Linien 
gleicher Länge nicht mehr für gleich ansehen kann, auch wenn ihre Länge constant bleibt. 
Diese Definitionen haben, wie aus § 123 der Einleitung hervorgeht, die Massverhältnisse 
der Figuren im Auge; dazu kommt, dass man so viele unnöthige Begriffe benutzt um die 
auch von dem Absoluten Cayley's abhängig gemachte Gleichheit zweier an sich betrach 
teten Figuren zu definiren. Im Uebrigen finden wir bei Hclmholtz selbst eine Stütze für 
unsre Anschauungen. Er sagt (Ueber den Ursprung und Sinn der geometrischen Sätze; 
Antwort gegen Herrn Prof. Land; Wiss. Abh. Bd. II. S. 048 und in seiner citirten Rede 
S. 66): 
„Physisch gleichwerthig nenne ich Raumgrössen, in denen unter gleichen Bedingungen 
und in gleichen Zeitabschnitten die gleichen physikalischen Vorgänge bestehen und ablaufen 
können. Der unter geeigneten A orsichtsmassregeln am häufigsten zur Bestimmung physisch 
gleichwerthiger Raumgrössen gebrauchte Process ist die Uebertragung starrer Körper, wie 
die Zirkel und Massstäbe, von einem Ort zum andern.“ 
Daraus folgt, dass die Definition der physischen Gleichheit zweier Raumgrössen nicht 
aus dem Princip der Bewegung starrer Körper hervorgeht, sondern dass das letztere ein 
Mittel zur praktischen und daher annähernden Bestimmung gleicher Grössen ist.
	        
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