700 Bemerk, über einige Beweise gegen das actual Unendlichgrosse nnd Unendlichkleine.
etiam non posse demonstrari non existere: probabile tarnen esse existere. Si
ornnes termini hujus progressionis y, *, y, 1(J etc. actu existunt, ergo exi-
stit infinitesimus“ (a. a. 0. S. 402).
Und später bei der Betrachtung der genannten Reihe:
„Si decem sunt termini existit utique decimus, si centum sunt termini
existit utique centesimus, . . ., ergo si numero infinito sunt termini, existit in
finitesimus.“
Offenbar definirt Bernoulli nicht das Unendlichkleine, aber er glaubt an seine
Existenz; er beweist es auch nicht durch die genannte Reihe; es folgt in der
That nicht, dass durch eine unendlich grosse Reihe endlicher Glieder das Un
endlichkleine bestimmt sei und es wäre ein Widerspruch, wenn man annehmen
wollte, es existire in der Reihe selbst.
So glaubt auch der Idealist Du Bois Beymond s an das Unendlichkleine,
definirt es aber nicht. Er sagt (a. a. 0. S. 71, 72):
„Der Satz, dass die Anzahl der Theilpunkte auf der Einheitsstrecke eine
unendlich grosse sei, erzeugt mit logischer NothWendigkeit den Glauben an das
Unendlichkleine.“
Unter Unendlichgrossem versteht er jede in der Darstellung unbegrenzte
Gruppe von Elementen, welche unabhängig von der Existenz denkender Wesen
betrachtet über dasjenige, was mittelst fester Maasse messbar ist, hinausgeht
(S. 70).
Die Theilungspunkte der Einheit, welche man durch die Theilung in eine
ganze endliche Anzahl n gleicher Theile erhält, sind in unendlich grosser Zahl
vorhanden und ihre Classe ist von der ersten Potenz, wie G. Cantor gezeigt
hat, und doch ist jedes Segment, welches zwei gegebene von diesen Punkten
vereinigt, immer endlich.
Aber auch alle Beweise gegen den Glauben Jicnwulli > s entbehren der
Grundlage, weil man zuerst nicht nur eine, sondern alle Definitionen geben
muss, welche mit diesem Glauben an das actuale Unendlichkleine (dargestellt
durch ein begrenztes gradliniges Segment) vereinbar sind. Dieses ist aber nicht
geschehen. Wir haben z. B. gezeigt, dass unser Unendlichkleines durch die
transfiniten Zahlen Cantor's nicht ausgedrückt werden kann.
Es steht fest, dass man ohne die Definition einer Vorstellung, welche ver
schiedene Deutungen zulässt, leicht in Widersprüche verfällt.
Wir müssen jedoch hinzufügen, dass sich nach unsrer Meinung Nichts
gegen die Möglichkeit des Unendlichkleinen von Du Bois Beymond und Stolz
einwenden lässt.
Der Marquis de l’Hospital gibt in seiner Analyse keine Definition des Un
endlichkleinen; er nimmt aber als Postulat wie der Idealist Du Bois Bcyniond's
als Definition an, dass „zwei endliche Grössen, welche um ein Unendlichkleines
differiren, gleich sind“, während wir diese Eigenschaft durch unsre Unendlich-
kleinen bewiesen haben. Gelegentlich dieses Satzes möchten wir behaupten,
dass sowohl diejenigen, welche an das Unendlichkleine glauben, als ihre Kritiker,