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Die Forschungen ü6er den Atombau.
Aus diesen Betrachtungen folgt, daß die Absorption nur bei mittlerer
Geschwindigkeit v der Kathodenstrahlen der Masse proportional ist; (in
Gasen wie H, und He, treten Abweichungen auf). Für größere v (= 0,87 c;c= Licht
geschwindigkeit) steigt die wahre Absorption 1 ) a/g (q = Dichte) langsam mit
dem Atomgewicht, z. B. für Al (Atomgewicht 27) =7; Cu (64) = 9,8; Sn (119)
= 11; Pt (195) = 13,6. Die primären Elektronen können sekundär außer ionen
bildenden Elektronen auch Photoelektronen (vg. S. 80) auslösen, die zu Phos
phoreszenzerscheinungen Anlaß geben. Bei großer Geschwindigkeit hält sich das
Elektron zu kurze Zeit im Atominnern auf; es bleibt in seinen Eigenschaften un
verändert. Sekundärstrahlung mit Ionisation ist daher auch bei bestimmten
Geschwindigkeiten v (dämlich von v - 0,024 c bis zu 0,05 c) am günstigsten.
Bei diesem v geben 60 % der Durchquerungen Absorption des primären Elektrons;
40% Auslösung von ionenerzeugenden Elektronen. Bei größerem v beginnen
die Durchquerungen ohne Einwirkung merklich zu überwiegen.
Dieser Verlauf der Erscheinungen ist nur möglich, wenn man annimmt,
daß das Atom aus einer (unbekannten) Zahl von negativen und positiven Quanten * 2 )
(Dynamiden) aufgebaut ist, die beide in sehr kleinen Räumen konzentriert sind.
Das Volumen des Atoms wird gerade von den Kraftfeldern dieser Elektrizitäts
atome ausgefüllt. Das Gleichgewicht in einem solchen System kann nur erhalten
bleiben durch rotierende Bewegungen, und zwar kreist 3 ) das negative Quant um
das positive. Daß die Ladungen räumlich sehr konzentriert sein müssen, folgt
daraus, daß auch bei schnellsten Elektronen noch Absorptionen Vorkommen.
Das ist nur möglich, wenn räumlich sehr starke elektrische Kräfte im Atom vor
handen sind.
Diese Auffassung wird noch gestützt durch die wenigen einwandfreien 4 )
Versuche über die Diffusion (Streuung) der ß-Elektronen, bei denen sich die mittlere
Ablenkung cp m (des Kathodenstrahlenbündels bestimmen läßt. So fand Crowther
(1911), daß ^-Strahlen von v = 2,4—2,9-10 10 cm/sec (also fast von Lichtgeschwin
digkeit) durch Al-Folien verschiedener Dicken und durch andere Platten von
Körpern sehr verschiedenem Atomgewichts (A) — untersucht wurden Kohle
und Metalle bis zum Atomgewicht des Platins —^regelmäßig abgelenkt werden.
Es ist cpm mit genügender Annäherung = A • d ist die Dicke der Schicht.
Lenards Versuche über die Grenzdicken von Schichten verschiedener Gase 5 ),
durch die keine größeren Ablenkungen als etwa 10° eintreten, zeigen ebenfalls,
daß die Durchlässigkeit für Elektronen von der Masse (oder Dicke der Schicht)
und von dem Atomgewicht in einfacher Weise abhängt.
Zu einem eindeutigen Atommodell führen aber diese Versuche nicht, da
man über die Verteilung der Atomfelder im Atom aus ihnen nichts schließen kann.
Die Lenardschen Ergebnisse wurden von Bragg und Klemann (seit
1904) für a-Strahlen 6 * * * ) bestätigt und erweitert. Beifolgende Figur 23 zeigt
4 ) Über diese Größe siehe S. 107; die von H. W. Schmidt (Phys. ZS. 11,
262; 1910) angegebenen Zahlen sind unter Berücksichtigung des „Umwegfaktors“
verbessert.
2 ) Diese Ausführungen sind die Vorläufer der Rutherfordschen Kerntheorie
(siehe 117.; vgl. S. 93). Sie finden sich in der Arbeit: Ann. Phys. 12, 743; 1903
und in dem Vortrag über Kathodenstrahlen (Lpg. 1903). Lenard nimmt die
Dynamiden als voneinander unabhängig an. Rutherford vereinigt die positiven
zu einer einzigen zentralen Ladung.
3 ) Auf diese elementaren Kreisströme lassen sich die Weißschen Magnetonen
(S. 75) zurückführen.
4 ) Lenard: Kathodenstrahlen, S. 122, 204, 242 (vgl. Seeliger: Jahrb. Radio
aktiv. 16, 19; 1919.
5 ) Luft, C 2 H 5 Br, CHC1 3 , CH 3 J.
6 ) Ein a-Teil durchdringt auf jeden ccm Luft 50000 Atome (Flamm: Über
den Bau der Atome, Wien 1916), ein ¿3-Teil 8400 Atome auf jeden Zentimeter
Gas (vgl. 31., S. 53 und 33. S. 61).