Full text: Lehrbuch der Experimental-Physik oder Erfahrungs-Naturlehre (Zweiter Band)

110 Von den Blasinstrumenten. 
cylindrischen Röhren, in welche Seitenlöcher gebohrt sind, und in 
die man durch eine Mündung blast; sie sind nichts anders als 
Orgelpfeifen, bei denen die Stelle des Blasebalgs durch den Mund 
des Musikers vertreten wird. Da ich sie hier nur aus dem theo 
retischen Gesichtspuncte zu betrachten habe, so wird ein einziges 
derselben als Beispiel hinreichen; ich wähle die Flöte, weil sie 
am bekanntesten ist. 
Dies Instrument, welches in FJg\ 41. Taf. VI. vorgestellt ist, 
besteht aus einem hohlen Cylinder von Holz, Elfenbein oder Krystall 
glas, der an einem Ende ganz offen und nur am andern mit einem 
Seitenloch versehen ist, welches als Mundloch dient. Die Ränder 
dieses Lochs haben eine Zuschärfung, und, indem man sie an den 
Mund bringt, und die Lippen schließt, bläst man eine Luftschicht 
schief gegen ihre Schärfe. Hiedurch wird die, in der Röhre ent 
haltene, Luftsäule in Schallschwingung versetzt. Verschließt man 
zuerst mit den Fingern alle übrigen Löcher, welche in die Wände 
der Röhre gebohrt sind, so wird sie unter die Kategorie der cylin- 
drischen, an beiden Enden offenen, Röhren treten. Man wird also 
zuvörderst einen Grundton, den tiefsten von allen, dre die Flöte zu 
geben vermag, erhalten, und durch stärkeres Blasen oder Abände 
rung der Art des Blasens, noch eine Folge anderer Töne mit 
immer zunehmender Höhe, die, den ersten als Einheit gesetzt, die 
Reihe der natürlichen Zahlen bilden 
1, 2, 3, 4, 5 . . . . 
Allein, es werden sich auch noch andre dazwischenliegende Töne 
erhalten lassen, wenn man successiv eines oder mehrere der, bis jetzt 
als geschlossen angenommenen, Seitenlöcher öffnet; denn die Oeff- 
nung jedes derselben bringt eine Erhöhung des Grundtons mit sich, 
die sich mit der Größe der Seitenlöcher und ihrer Entfernung vom 
Mundloch abändert; wie sich durch Erfahrung finden läßt, wenn 
man successiv ihre Dimensionen vergrößert. 
Man hat Blasinstrumente, wie das Schlangenrohr und das 
Horn, die aus gekrümmten Röhren bestehen. Diese Krümmung 
hat jedoch ganz und gar keinen Einfluß auf die Töne, die man aus 
ihnen erhält, und dient zu weiter nichts, als den Röhren, indem 
sie sich gegen sich selbst zurück biegen, eine große Länge bei einem 
kleinen Volumen zu geben. Die Tonreihe derselben ist übrigens 
ganz die nämliche, als ber geradlinigen Röhren von der nämlichen 
Dicke und Länge. 
Von der Art, die Flöten werke zu stimmen. Verfah 
ren, sie auf die rechte Tonhöhe zu bringen. 
Verfertigt man Orgelpfeifen nach den, durch Theorie und Er 
fahrung vorgeschriebenen, Dimensionen, so werden sie doch auf das
	        
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