Full text: Lehrbuch der Experimental-Physik oder Erfahrungs-Naturlehre (Zweiter Band)

36 Schwingungen elastischer Saiten. 
Abschnitte der Saite für den Augenblick aus ihrer Lage des Gleichge 
wichts gezogen, gegen die, ihnen nach einer Seite zunächst liegenden, 
gestoßen, von den zur andern Seite ihnen zunächst befindlichen aber 
abgezogen werden. Werden also diese Abschnitte der Saite dann sich 
selbst überlassen, so müssen sie zu ihrer ursprünglichen Lage zurückkeh 
ren, indem sie durch ihre Oscillationen eine Erschütterung nach der 
Richtung der Lange hervorbringen, welche sich der ganzen Saite mit 
theilen muß. Unter den verschiedenen Schwingungsarten, welche auf 
solche Art hervorgehen können, ist die einfachste die in Fig. 12 Taf. VI. 
vorgestellte. Alle Abschnitte, welche zusammen die ganze Saite aus 
machen, haben eine gleichzeitige Bewegung, die abwechselnd nach dem 
einen und dem entgegengesetzten Ende gerichtet ist. Wenn sie von 
A riacs; B gehen, so ziehen sie sich in L zusammen und verlängern 
sich in A; das Entgegengesetzte findet Statt, wenn sie bei der fol 
genden Schwingung die rückgängige Bewegung von L nach A machen. 
Im einen wie im andern Falle erfährt die Mitte der Saite weder 
Zusammenziehung noch Ausdehnung; allein hier ist die Stelle, wo 
die Bewegung der Theilchen am schnellsten geschieht: dagegen die 
selbe null an den beiden festen Enden ist. Die zweite Art Längen 
schwingungen ist in Fig. 13 vorgestellt. Die Saite theilt sich in zwei 
gleiche und mit einander zusammenstimmende Theile ab, welche in 
abwechselnder, stets in ihrer Richtung entgegengesetzter, und durch 
einen unbeweglich bleibenden Schwingungsknoten U geschiedener, Be 
wegung begriffen sind. Endlich lassen sich noch andre Schwingungs 
arten denken, bei welchen sich die Saite in 3 Theile, wie in Fig. 14, 
oder in eine noch größere Anzahl derselben theilt. Um diese Töne 
hervorzubringen, muß man die Saite nach ihrer Länge mit einem, 
auf ihre Längenrichtung sehr geneigt gehaltenen, Violinbogen streichen, 
indem man denselben über einen der Theile führt, die, der bezweckten 
Abtheilung der Saite gemäß, in Schwingung gerathen sollen: oder 
man kann auch diese Theile mit dem Finger reiben, oder mit irgend 
einem andern biegsamen, mit gepulvertem Colophonium bestreuten, 
Körper. Doch reicht dies noch nicht hin, nach Willkühr diese oder 
jene besondre Art der Abtheilung hervorzubringen; denn ein und der 
nämliche Abschnitt der Saite kann in einer unendlichen Menge ver- 
schiedner Fälle in Schwingung gerathen. Man muß also diejenige 
von allen Schwingu.rgsarten, welche man bezweckt, noch näher fixiren; 
und dies bewerkstelligt man durch leise Berührung eines der Puncte, 
welche in Ruhe bleiben sollen. Die auf solche Weise erhaltenen 
Töne haben die nämlichen Verhältnisse unter einander als die, welche 
durch transversale Schwingungen hervorgebracht werden ; d. h. sie ver 
halten sich bei Saiten aus den nämlichen Stoffen und von der näm 
lichen Spannung umgekehrt, wie die Längen der schwingenden Theile, 
und theilt sich demnach die Saite successiv in 1, 2, 3 ... n Theile 
ab, so folgen sie der Reihe der natürlichen Zahlen l, 2, 3 ... u. 
Allein sie sind ohne Vergleich höher als die Töne der transversalen
	        
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