Full text: Lehrbuch des Galvanismus und der Elektrochemie (Dritter Band)

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Elektrochemische Theorie. 
Das zusammengesetzte Oxydtheilchen, was so entsteht, wird dem 
Ganzen nach betrachtet, neutral erscheinen, aber doch aus zwei ent 
gegengesetzt elektrisirten Theilchen zusammengesetzt seyn. 
Gesetzt jetzt, ein zweites Sauerstofftheilchen b käme in die Be 
rührungsnähe des Metalltheilchens, das sich schon mit dem ersten a 
verbunden hat. Es wird vermöge des Einflusses dieser Berührungs- 
nähe ebenfalls entgegengesetzt el. mit A werden; allein A wird die 
Gesammtheit von a und b nun nicht mehr mit derselben Kraft an 
ziehen oder festhalten können, als vorher a allein, weil dieser An 
ziehung jetzt die wechselseitige Abstoßung der gleichartig elektrisirten 
Theilchen a und b entgegenwirkt, vermöge deren diese einander zu 
fliehen streben. Ueberwiegt letztre Abstoßung die Anziehung von A 
auf a und b, so wird b gar nicht in Verbindung mit A treten 
können; im Gegenfall aber wird die Summe von a und b doch 
mit schwächerer Kraft von A zurückgehalten werden, als vorher 
a allein. 
In der That sehen wir, daß die Verwandtschaft jedes Kör 
pers für einen andern in dem Maße abnimmt, als er sich schon 
mit Antheilen desselben verbunden hat, daß manche Metalle blos 
Einer Oxydationsstufe fähig sind, und daß höhere Oxydationsstufen 
eines Metalls stets einen Theil ihres Sauerstoffs leichter verlieren, 
als niedere. 
Die Verbindungen, mit denen man es in der Wirklichkeit zu 
thun hat, sind nie einzelne Theilchen oder Atome, sondern Massen 
derselben. So kommen uns nie einzelne Oxydtheilchen, sondern 
blos Massen oder Systeme solcher Theilchen vor. Zn diesen Syste 
men aber ist außer der chemischen Verwandtschaft der ungleicharti 
gen Theilchen, die wir hier aus elektrische Kräfte zurückzuführen 
suchen, noch eine Kraft thätig, welche die gleichartigen zusammen 
gesetzten Theilchen vereinigt, und die wir Cohäsionskraft nennen. 
* Wir lassen es dahin gestellt seyn, worauf sie beruht und neh 
men das Stattfinden derselben hier als Thatsache an. Im tropf- 
* Die Th. II. S. 332 erwähnten Erscheinungen, zufolge deren die nach 
den Blättcrdurchgängcn gespaltenen Krystalle an den Spaltflächen im Allg. entge 
gengesetzte Llcktricitätcn zeigen, und der Umstand, daß dem wesentlichen Gefüge 
nach alle feste Körper scheinen als krysiallisirt angesehen werden zu können (vergl. 
Th. I. S. 402) machen cs sehr denkbar, daß die Cohäsionskraft gleich der chemischen 
Verwandtschaft, sich auf elektrische Kräfte würde zurückführe» lassen. Allein eben, 
weil man solche Zurückführungen fast so weit treiben kann, als man will, ist es 
nöthig, so vorsichtig als möglich damit zu seyn. Einige Erscheinungen giebt es, 
welche auf elektrochemischem Wege sich nicht anders deuten zu lassen scheinen, als 
dadurch, daß der elektrische Gegensatz der Körper nicht allein von der Beschaffen 
heit ihrer Materie, sondern auch von der rcspectiven Anordnung oder der Art des 
Zusammenhangs derselben in ihnen abhänge: denn wir haben gesehen, daß Me 
talle durch Lcgirung mit Metallen, die positiver als sie selbst sind, an Negativität 
gewinnen können, und umgekehrt. Die Entstehung solcher Lcgirunge» ist aber 
wie es scheint immer mit bedeutenden Dichtigkeitsverä'ndcrungcn begleitet. Da
	        
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