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Elektrochemische Theorie.
Zn der That tritt blos ein beharrlicher Zustand des Gleichge
wichts, aber keine continuirliche Strömung ein, wenn wir die Com
bination zweier Metalle durch ein drittes schließen, welches mit jenen
unter dem allgemeinen Gesetz der galvanischen Spannungsreihe be
griffen ist, und dasselbe würde dann auch bei Schließung jener Com
bination durch eine Flüssigkeit der Fall gewesen seyn müssen (vergl.
S. 65 *)♦
Wollte man andrerseits eine elektromotorische Einwirkung der
Flüssigkeiten auf feste Körper laugnen, so würde man überhaupt
nicht nur die Möglichkeit einer Verknüpfung der chemischen Erschei
nungen mit den elektrischen Kräften ausgeben, und somit die schön
sten Beziehungen, die sich von hier aus für beide Gebiete entwickelt
haben, verlieren müssen, sondern man würde auch in Widerspruch
mit Erfahrungen kommen, die ich in einem spätern Capitel anführen
werde, welche auf ganz di recte Weise darthun, daß wirklich auch
in der Berührung flüssiger mit festen Körpern El. erregt werde.
Dieser Widerspruch findet seine Ausgleichung in folgender An
sicht, welche das Leitungsvermögen der Flüssigkeiten für den Strom
in der Kette überhaupt nur als eine Function ihrer, durch das elek
trische Verhältniß derselben bedingten, chemischen Wirksamkeit er
scheinen läßt.
Wir sehen, daß in allen Fällen, wo eine wirksame Strömung
in der Kette Statt findet, zugleich eine Ueberführung der entgegen
gesetzt elektrischen Bestandtheile der Flüssigkeiten nach den entgegen
gesetzten metallischen Polen erfolgt, wozu das 29ste Cap. die viel
fachsten Belege enthält, und daß, wo diese Ueberführung nicht Statt
hat, die Flüssigkeit nicht anders, als wie ein Nichtleiter oder wie
ein metallischer Leiter in die Kette tritt, d. h. blos einen beharr
lichen Zustand des Gleichgewichts zur Folge hat, so, wenn concen-
trirte Schwefelsäure oder reines Brom eine Kette schließt. Zn ihrem
Ilebergange nach den entgegengesetzten Polen führen nun die Be
standtheile der Flüssigkeit nothwendig die Elektricitäten mit sich, die
ihnen vermöge ihrer wechselseitigen Berührung unter einander zukom-
men; und da die positiven Bestandtheile nach dem negativen, die
negativen Bestandtheile nach dem positiven Pole der Kette hinge
führt werden, bringen sie solchergestalt ganz dieselbe Richtung der
* Auf der andern Seite widerstreitet der Umstand, daß selbst die verschieden
artigsten Flüssigkeiten, zur Schließung zweier Metalle gebraucht, die Richtung des
Stroms stets so bestehen lassen, wie sie dem Verhältniß der Metalle zu einander
entspricht, der Ansicht, daß die Flüssigkeiten nicht mit den Metallen unter dasselbe
Gesetz der galvanischen Spannuugsrcihc gehörten, denn in diesem Falle müßten
sie die Richtung der Strömung öfters durch ihr verschiedenes Verhältniß zu den
Metallen der Kette umkehre», was aber nach Capitel 12 nicht der Fall ist, da
alle scheinbaren Umkehrungen des Stroms durch Flüssigkeiten nur aus Verände
rung der Metalle selbst beruhen, wo dann die Richtung des Stroms stets dem
Verhältniß der veränderten Metalle zu einander entspricht, immer unabhängig vo»
dem Verhältniß der Flüssigkeiten zu ihnen.