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Physiologischer Galvanismus.
zum 270sten Plattenpaare fortgeführt ward, so daß mehrere schnell
hintereinander folgende, an Starke zunehmende, Entladungen erfolg
ten, trat augenblicklich ein tiefes, ja angestrengtes, Athmen ein.
Der Brustkasten hob sich und sank wieder; der Leib trat hervor
und fiel wieder zusammen; das Zwergfell erschlaffte und stieg wie
der in die Höhe. Dieß dauerte ununterbrochen so lange fort, als
die elektrischen Entladungen fortgesetzt wurden. — Als der eine
Draht am Supraorbitalnerven, der andre auf die Ferse gerichtet
wurde, erfolgten außerordentliche Verzerrungen, so oft die Batterie
wie vorhin durch Hinführen des einen Drahts vom 220sten bis
270sten Plattenpaare entladen wurde. Zeder Muskel des Gesichts
geriet!) in furchtbare Thätigkeit; Wuth, Schreck, Verzweiflung, Angst
und fürchterliches Lächeln drückte sich vereint im Gesicht aus, so
daß mehrere Zuschauer vor Entsetzen und Uebelkeit sich entfernen
mußten und einer in Ohnmacht fiel. — Als mit einem Draht am
Rückenmark, mit dem andern am Armnerven wie vorhin geschlossen
ward, bewegten sich die Finger schnell, wie die eines Violinspielers,
und ein Gehülfe versuchte vergebens, die Hand zur Faust zu ballen.
Wurde der eine Stab in einen kleinen Einschnitt in die Spitze des
Zeigefingers gebracht, so streckte sich dieser augenblicklich aus, da
man oie Faust vorher geballt hatte. Mit dem krampfhaft beweg
ten Arme schien er auf die verschiedenen Zuschauer zu zeigen, von
denen einige glaubten, er sey in's Leben zurückgekehrt.
Man führt auch einen Versuch an, daß eine frische Ochsen
zunge, mittelst eines eisernen Nagels an einen Tisch befestigt, sich
beim Schließen der Kette so stark zusammengezogen habe, daß selbst
der Nagel aus dem Tisch gerissen wurde.
Die Erörterungen Ritter's über den Gegensatz zwischen Flexo
ren und Extensoren, hinsichtlich der Einwirkung des Galvanisinus,
die noch nicht gehörig außer Zweifel gesetzt scheinen, überlasten wir
dem Leser an den betreffenden Orten * ** selbst nachzusehen.
Ilebrigens werden eben sowohl die unwillkührlichen Muskeln,
z. B. des Herzens und der Eingeweide, als die willkührlichen Mus
keln durch den Galvanisnms zu veränderter oder beschleunigter Be
wegung und Zusammenziehung veranlaßt, erstere jedoch in schwäche
rem Grade
Anfangs hatte man den Erfolg bei den unwillkührlichen Mus
keln gelaugnet; allein vielfache Erfahrungen späterer Beobachter setzen
* Ritter in s. Beitr. II. 83. 105. 145. — Derselbe in Gilb. An».
XIX. 5. (hier ist das Gesammtergebniß kurz zusammengezogen) — Pfaff
(gegen Ritter) in Gilb. Ann. XXIII. 54.
** Vcrgl. Ritter Beitr. I. St. 1. 90. — Humboldt I. 335. 342. —
Gilb. Xill. 233. — LXII. 242. — Aldi ui I. 162. — Pfaff 119. —
Der Erfolg tritt selbst dann ein, wenn man z. B. beim Herzen blos die Nerven
nicht aber die Muskeln des Herzens armirt (Humboldt 341).