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Elektromagnetische Wirkungen
Wir setzen als eine bekannte Erfahrung voraus, daß eine Mag
netnadel, wenn man dieselbe, auf einem Stifte schwebend oder an
einem feinen Faden hangend, sich selbst überlaßt, stets eine fixe Rich
tung annimmt, welche ziemlich von Süden nach Norden geht und
die man schlechthin die Richtung des magnetischen Meri
dians zu nennen pflegt. Lenkt man eine solche Nadel aus ihrer
Richtung ab, so kehrt sie durch eine Reihe von Oscillationen von
selbst wieder darein zurück, zum Zeichen, daß sie durch eine gewisse
Kraft, welche die Richtung des magnetischen Meridians hat, in die
ser Richtung erhalten zu werden strebt» Wir legen dieser Kraft
den Namen der magnetischen Erdkraft bei und werden in
der Lehre vom Magnetismus ihre Gesetze naher kennen lernen. Für
jetzt genügt es, ihr Vorhandenseyn als eine Thatsache angeführt zu
haben, um uns im Künftigen darauf beziehen zu können.
Gesetzt nun, man spanne über oder unter eine solche Nadel,
die durch Wirkung der magnetischen Erdkraft die Richtung des mag
netischen Meridians angenommen hat, mit ihr parallel, den Ver
bindungsdraht oder sonst einen Theil einer einfachen oder zusammen
gesetzten, hinlänglich wirksamen, Kette aus, so wird man sehen, daß
die Nadel sofort ihre Richtung verlaßt, und nach einigen Oscillatio
nen * unter einem gewissen Winkel gegen den magnetischen Meri
dian stehen bleibt.
Nicht leicht wird man diese Wirkung auf eine einfachere
Weise zum Augenschein bringen können, als wenn man sich hiezu
des kleinen, Taf. VIII. Fig-. 17 vorgestellten Apparats bedient.
Derselbe besteht aus einem kupfernen Streifen K und einem bei 8
daran gelötheten Zinkstreifen Z, deren beider nach abwärts gebogene
Enden in Spiralen ausgehen, die in einander greifen, jedoch durch
dazwischen befestigtes Holz oder Siegellack an metallischer Commu-
nication verhindert werden. Sowohl über dem Kupfer- als Zink-
streifen sind Spitzen angebracht, auf welchen sich Magnetnadeln
schwebend anbringen lassen, so wie man auch ein Häkchen am obern
Streifen anbringen kann, um unter demselben eine Magnetnadel an
einem Coconfaden schwebend zu erhalten. Setzt man nun diesen
Apparat so auf einen Untersatz, daß die spiralförmige Endigung des
selben zur Seite herabreicht und läßt diese Endigung in ein Gefäß
mit verdünnter Säure tauchen, so wird man begreiflich die Anord
nung einer geschloffenen einfachen Kette haben, indem die von der
* Bei diesen Oscillationen ist zu bemerken, daß der Ruhestand der Nadel
niemals das Mittel ist zwischen den beiden Grauzpuncten, bis zu welchen die.
Oscillationen sich in jedem Augenblick erstrecken, sondern dein Gräuzpuncre nach
dem Orte hin, von welchem aus die Ablenkung erfolgt, stets näher liegt, als dem
andern Gränzpuncte, nach welchem hin die Ablenkung Statt hat; eben weil der
Schließungsdraht durch seine stetig wirkende ablenkende Kraft verhindert, daß die
Nadel nach ihm hin ihre Oscillationen so weit erstrecken könne, als sie nach dem
bloßen Gesetze der Beharrung gethan haben wurde (Psaff Elcktrom. S. 33).