Full text: Lehrbuch der Experimental-Physik oder Erfahrungs-Naturlehre (Vierter Band)

190 Elektromagnetismus. 
hängig ist/ ein Coefficient, der, wie er auch zusammengesetzt seyn 
möchte, nicht hindern würde, daß die Gesammtwirkung eines unbe- 
gränzten und geradlinigen Drahts seinem kürzesten Abstand vom 
magnetischen Element umgekehrt proportional wäre, wie unsre Beob 
achtungen gezeigt haben. Es waren also noch neue Versuche anzu 
stellen, um zu erfahren, ob ein solcher Coefficient wirklich Statt 
habe, und um seine Zusammensetzung auszumitteln; und das ein 
fachste so wie am nächsten zum Ziele führende Mittel hiezu war 
offenbar, die Wirkungen zu vergleichen, welche von zwei gleichen 
aber verschieden gerichteten Theilen unbegranzter Drähte auf ein ma 
gnetisches Element ausgeübt werden. Zu diesem Zweck spannte ich 
in einer Verticalebene Taf. XI. Fig\ 9 einen langen Kupferdraht 
ZMC aus, den ich in ZI bog, so daß die beiden Schenkel ZM, 
MC mit der Horizontale MH gleiche Winkel machten. Vor diesen 
Draht spannte man einen andern Z'M'C', von dem nämlichen Me 
tall, dem nämlichen Durchmesser, und der von dem nämlichen Stück 
genommen war, aus, gab ihm aber eine verticale Stellung, wobei 
er vom ersten in MM' nur durch einen ganz dünnen Papierstreif 
geschieden blieb. Ich hieng darauf die kleine parallelogrammische 
Magnetnadel SN vor diesem System auf, so daß ihre Längenaxe 
sich genau in der Höhe der Puncte M, M' befand, und beobachtete 
ihre Oscillationen in verschiedenen Abständen, indem ich den Volta'- 
schen Strom successiv durch den gebogenen und durch den geraden 
Draht laufen ließ. Um diese Vergleichungen anzustellen, muß man 
sich immer der Methode der abwechselnden Beobachtungen bedienen; 
d. h. wenn man bei einer gegebenen Lage der 'Nadel zuerst die Os 
cillationen beobachtet hat, wenn der elektrische Strom durch den 
schiefen, und dann, wenn ec durch den geraden Draht gieng, so 
muß man sie ein drittes Mal beobachten, indem man den Strom 
wieder durch den schiefen Draht gehen läßt, und dann das Mittel 
aus den Resultaten nehmen, welche durch diese letzte und die erste 
Beobachtung gefunden wurden, um die Wirkung des schiefen Drahts 
vollkommen vergleichbar mit der des geraden zu erhalten, unabhängig 
von den fortschreitenden Veränderungen, die der Volta'sche Apparat, 
dessen man sich bedient, erfährt. Zur Genauigkeit dieser Art von 
Versuchen sind aber noch mehrere andere Vorsichtsmaßregeln uner 
läßlich: erstens müssen die beiden Drähte von vollkommen gleicher 
Beschaffenheit seyn, was man am sichersten so erreicht, daß man 
dazu zwei aufeinanderfolgende Stücke des nämlichen, auf einnral ge 
zogenen, Drahts nimmt; zweitens muß der schiefe Draht in einer 
vollkommen verticalen Ebene ausgespannt seyn, welche auch den ge 
raden Draht enthält, und die Mitte der Nadel muß sich bei allen 
Abständen, in die man sie successiv bringt, gleichfalls immer in der 
Verlängerung dieser nämlichen Ebene befinden. Daniit endlich die 
Linie der Ruhe, uni welche die Oscillationen der Nadel vor sich gehen, 
unveränderlich die näinliche bleibe, welches von beiden Drähten man
	        
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