Full text: Lehrbuch der Experimental-Physik oder Erfahrungs-Naturlehre (Vierter Band)

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Physikalische Theorie der Brechung. 
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gränzenden Schichten Statt fände, müßte begreiflich die Luftspiege 
lung gleicherweise darin erfolgen, nur würde sie immer senkrecht auf 
die gemeinschaftliche Gränze beider Schichten, mithin hier in horizon 
taler Richtung Statt haben. Der verstorbene Iurine und Sorrel 
haben eine solche Erscheinung auf dem Genfersee an einer Stelle 
beobachtet, wo die Näherung der entgegengesetzten Ufer ihn sehr ein 
engt. Erwägt man nun die Gestaltungsverhältnisse dieser Ufer, deren 
eines auf der Sommerseite gelegen, mit hohen Bergen eingefaßt ist, 
während das andere, nördlich den See begränzend, den Stralcn 
der Sonne blos liegt, so muß man sehr begreiflich finden, wie 
ein solcher Unterschied in der Art, wie sie von der Sonne beschienen 
werden, momentan bei ruhigem Wetter, oder selbst einem, mit der 
« Richtung der Ufer parallelen, Winde in der auf dem See ruhenden 
Luftmasse eine seitliche Verschiedenheit der Temperatur und mithin 
der Dichtigkeit hervorbringen konnte, welche dann die Beugung der 
Licht'tralen zur Folge hatte, die durch die Lufrmasse der Länge nach, 
und hinlänglich nahe an der Gränze, wo die seitliche Dichtigkeits 
veränderung Statt hatte, hingiengen. 
Manchmal ereignet es sich auch, daß entfernte Gegenstände blos 
in der Luft schwebend erscheinen. Dann ist ihr Bild einfach, aufrecht, 
und wenigstens dem Anscheine nach von keinem umgekehrten Bilde 
begleitet. Ich habe jedoch in der angeführten Abhandlung gezeigt, 
daß selbst in diesem Fall das zweite umgekehrte Bild vorhanden ist, 
nur aber unendlich verschmälert (amincie). Dann bemerkt man nur 
das direkte Bild auf dem umgekehrten Bilde des Himmels als Grund. 
Geschieht das Sehen solchergestalt durch Gesichtslinien, welche nach 
der Erde oder dem Meere zu convex sind, so ist die Zurückwerfung 
negativ; der scheinbare Horizont koinmt viel tiefer zu liegen, als er 
in Verhältniß der Höhe, wo man beobachtet, seyn sollte. Die See 
fahrer müssen sich also wegen dieser Erscheinung vorsehen, die in ihre 
Bestimmungen der Breite beträchtliche Irrthümer bringen könnte; 
denn ich habe durch Erfahrung gefunden, daß diese Irrthümer oft 
auf 4 bis 5 Minuten steigen können. Der scheinbare Horizont wird 
auf solche Weise niedriger zu liegen kommen, wenn das Meer wär 
mer als die Luft ist; ist es dagegen kälter, so findet die Abnahme 
der Dichtigkeit von unten nach oben Statt wie gewöhnlich, nur nach 
einer viel raschem Progression, und der scheinbare Horizont erhebt 
sich manchmal bedeutend hoch. Diese Irrthümer würden sich dadurch 
vermeiden lassen, daß man die Beobachtungen über die Höhe der 
Gestirne nicht in Bezug zum Horizont des Meers, sondern in Bezug 
zu einem künstlichen Horizont anstellte, der sich außerhalb der untern 
Schichten befände, wo die außergewöhnliche Dichtigkeitsveränderung 
immer vor sich geht. Jedoch hat dies Mittel seine Schwierigkeiten, 
selbst zu Lande, und ist am Bord der Schiffe, wegen der Bewegung 
des Meers ganz unausführbar. In diesem Fall wird man den Irr 
thum berichtigen, indem man, wofern es geschehen kann, den Abstand
	        
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