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Von der doppelten Straleubrechung.
ist, Fig. 84, zu verkleinern dagegen, wenn er anziehender Natur
ist, Fig. 85; so daß der ungewöhnliche Stral IE im ersten Fall
naher nach dem Einfallsloth zu, im zweiten Fall weiter davon ab,
als der gewöhnliche gebrochen werden muß, wie es sich in der That
in der Erfahrung nachweist.
Alle andere Beispiele, die man noch aufstellen könnte, würden
nur wiederholte Anwendungen der nämlichen Grundsätze seyn. Die
Betrachtung der von der Axe ausgehenden Anziehungs - oder Ab
stoßungskraft wird die Richtung der Ablenkungen immer getreu an
geben; anstatt uns aber bei diesen Wiederholungen aufzuhalten,
wollen wir lieber zu dem allgemeinern Fall übergehen, wo der Kry
stall zwei, durch einen merklichen Winkel geschiedene, Axen hat.
Dann bleiben alle Stralen, welche der Richtung der einen oder
andern dieser Axen folgen, ungespalten bei ihrem Austritt, durch
welche Flächen derselbe auch Statt haben mag. Bei jeder andern
Richtung erfahren die Stralen innerhalb des Krystalls eine Spal
tung , welche eine Ungleichheit ihrer Geschwindigkeiten anzeigt und
die Größe sowohl als Richtung ihres Auseinanderweichens ist für
gleiche Abweichungen von jeder der beiden Axen vollkommen gleich;
woraus zu schließen ist, daß die, sie spaltende, Kraft um jede die
ser beiden Linien gleich wirkt.
Hier tritt nun aber ein neuer, den Krystallen mit zwei Axen
eigenthümlicher, Umstand hinzu, welcher Verwickelung in die Er
scheinungen bringt und die Erforschung ihres allgemeinen Gesetzes
erschwert. Dieser, von Fresnel entdeckte, Umstand besteht darin,
daß hier keiner der beiden gebrochenen Stralen dem einfachen Des-
cartes'schen Gesetze der Brechung folgt, nach welchem der Sinus
des Brechungswinkels in einem (unter allen Richtungen des Ein-
fallens) beständigen Verhältniß zum Sinus des Einfallswinkels steht;
woraus folgt, daß keinem derselben im Krystall eine für alle Rich
tungen, nach denen er hindurchgehen mag, sich gleichbleibende Ge
schwindigkeit zukommend gedacht werden kann, indem diese Bestän
digkeit der Geschwindigkeit wesentlich mit der Beständigkeit des Bre
chungsverhältnisses zusammen hängt.
Die Thatsache dieser Veränderlichkeit der beiden Geschwindig
keiten (je nach den Richtungen, in denen die beiden Stralen durch
den Krystall hindurchgehen), läßt sich, nach Fresnels Vorgänge,
auf einem einfachen und ganz apagogischen Wege nachweisen. Geht
nämlich im Innern eines Körpers eine Brechung mit beständiger *
Geschwindigkeit vor sich, so müssen die Stralen bei gleichem Ein
fallswinkel darin vollkommen gleiche Ablenkungen erfahren, nach
* Unter beständig hat man hier immer zu verstehen: unter allen
Richtungen, unter welchen der Stral durch den Krystall h i ri
tz urchgeht, und eben so gilt der Ausdruck veränderlich hier immer in die
sem Bezug.