Full text: Lehrbuch der Experimental-Physik oder Erfahrungs-Naturlehre (Vierter Band)

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Von der doppelten Stralenbrechung. 
daß ihre Richtung Lurch dieses oder sonst irgend ein andres Ver 
fahren bestimmt, und mithin in den, unsern Beobachtungen zu 
unterwerfenden, Krystallen jedesmal schon bekannt sey. 
Dies vorausgesetzt, wollen wir uns vorstellen, man habe mittelst 
des oben beschriebenen Apparats oder irgend eines ähnlichen für 
einen gewissen Krystall das Auseinanderweichen der Stralen nach 
verschiedenen Richtungen um seine Axen gemessen; so ist nun die 
Progression der Größe dieses Auseinanderweichens, und ihr allge 
meiner Ausdruck in Bezug zu den Axen des Krystalls zu suchen. 
Dies hat, wie oben erwähnt, Huyghens für den Isländischen 
Spath geleistet, durch Aufstellung eines merkwürdigen Gesetzes, das 
er in Bezug mit der Undulationstheorie des Lichtes gebracht hat. 
DaS nämliche Gesetz ist aber nachher auch von Laplace aus der 
Ansicht der Materialität des Lichtes hergeleitet worden. 
Nach der Vorstellung, daß das Licht ein ausgestralter Stoff 
ist, wird die Brechung der Strafen, welche durch durchsichtige Kör 
per gehen, durch die Anziehungskräfte hervorgebracht, welche die 
Theilchen dieser Körper auf die Lichttheilchen äußern, Kräfte, deren 
Wirkung nur auf sehr kleine Weiten merklich ist, und die vermöge 
dieser Eigenthümlichkeit gan^ denen gleichen, von welchen die chemi 
schen Verwandtschaften abhangen. In Folge dessen hat der krumme 
Theil der Bahn, welche ein Lichftral beschreibt, wenn er schief durch 
eine brechende Oberfläche dringt, nur eine unendlich kleine, für unsre 
Sinne gar nicht wahrnehmbare, Ausdehnung, so daß der Stral an 
der Stelle, wo er gebrochen wird, geknickt zu werden und plötzlich 
seine Richtung zu ändern scheint. Aber eben deshalb, weil die 
Curve, die er beschreibt, unsrer Wahrnehmung entgeht, läßt sich 
aus der Gestalt derselben nichts für die Beschaffenheit der Kräfte, 
durch welche die Lichttheilchen an jedem Puncte sollicitirt werden, 
entnehmen, wie das Gesetz der allgemeinen Gravitation aus der 
Gestalt der Bahnen hergeleitet wurde, welche die Planeten und die 
Kometen durchlaufen; und man sicht sich mithin darauf verwiesen, 
Hypothesen über die Beschaffenheit dieser Kräfte nach indirecten 
Erfahrungsschlüssen zu Grunde zu legen, und deren Bestätigung 
durch Uebereinstimmung der Resultate, die aus ihnen fließen, mit 
den Ergebnissen der Erfahrung nachzusuchen. Dies gelang New 
ton hinsichtlich der gewöhnlichen Brechung, bei der die Geschwin 
digkeit beständig ist, indem er jedes, durch eine brechende Oberfläche 
hindurchgehende, Theilchen so betrachtete, als sey es vor, während 
und nach seinem Durchgänge durch Anziehungskräfte sollicitirt, die 
nur auf sehr geringe Weiten wirkten, und von allen Theilchen des 
brechenden Mittels ausgiengen. Diese Grundvorstellung läßt das 
Gesetz der Abnahme dieser Kräfte innerhalb der Weite, wo sie 
merklich veränderlich sind, unbestimmt, sie erlaubt blos, ihre Mit 
telkraft für jede Weite zu berechnen, und sie, wenn der Abstand 
merklich wird, für constant anzunehmen. Diese Data nun reichen
	        
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