Full text: Lehrbuch der Experimental-Physik oder Erfahrungs-Naturlehre (Vierter Band)

34-S Von der doppelten Stralenbrechung. 
den Krystallen, wo die doppelte Brechung üm stärksten ist, von 
merklichen Irrthümern frei schien, so ließ ich es bei einigen dirccten 
Versuchen zu Bewährung dieser Beständigkeit bewenden, und da sie 
dieselbe zu bestätigen schienen, hielt ich mich meiner Sache in die 
sem Bezug für ganz gewiß. Aus den Versuchen von Fresnel 
indeß, deren Nichtigkeit sich mir durch eigne Versuche bewährt hat, 
die ich theils nach seiner Methode, theils nach der oben erörterten 
der innern Zurückwerfungen anstellte, hat sich ergeben, daß die An 
nahme einer beständigen Geschwindigkeit unzulässig sey. Vermöge 
eines sonderbaren doppelten Zusammentreffens aber, woraus zugleich 
erklärlich wird, wie jene Annahme doch die Resultate der Beobach 
tung so getreu wiederzugeben vermochte, war einerseits die Verän 
derlichkeit der Geschwindigkeiten, welche mit der Oeffnung der Axen 
zunimmt, ausnehmend schwach, fast möchte man sagen, unmerklich 
in den kräftigsten der, meinen Beobachtungen unterworfenen, Kry 
stalle; andrerseits ist diese Veränderlichkeit so beschaffen, daß der 
'Unterschied der Quadrate der Geschwindigkeiten die Form behält, die 
ich demselben beigelegt hatte, d. h. daß er, für jedes Paar Stralen, 
welche beim innern Durchgänge eine und dieselbe Richtung verfolgen, 
sich, Fresnel zufolge, wirklich dem Product aus den Sinus der 
Winkel, welche diese Richtung mit jeder der beiden Axen des Kry 
stalls bildet, proportional verhält, woraus zu ersehen, daß wegen 
der Schwäche der doppelten Brechung in allen bekannten Substanzen 
das Auseinanderweichen der Stralen, welches dem Unterschiede der 
Geschwindigkeiten ganz nahe proportional ist, unter der falschen Vor- 
auös'.'tzung einer beständigen Geschwindigkeit sich eben so genau aus 
gedrückt finden mußte, als unter der richtigen Annahme ihrer Ver 
änderlichkeit« 
Fresnel hat aus seinen Ansichten über die Natur des Lichts 
eine geometrische Construction hergeleitet, welche eine allgemeine Dar 
stellung der Geschwindigkeiten der durch irgend einen Krystall gebro 
chenen Stralen gewährt. Diese Construction, in die Analyse über 
getragen, giebt folgenden Ausdruck für die Geschwindigkeiten zweier 
Stralen, die sich in ihrem Durchgang durch den Krystall begleiten, 
d. h« die durch den Krystall nach einer und derselben Richtung hin 
durchgehen. Es seyen Y die Geschwindigkeiten dieser beiden Stra 
len, ü> U' die Winkel, die sie mit jeder der beiden Axen des Kry- 
palls bilden; endlich n und k zwei, jeder Substanz eigenthümliche, 
beständige Größen; man wird haben: 
sin. 2 4 [T/' — U]; v' 2 = n 2 + ksin. 2 4 (IT + U). 
Hieraus fließt der allgemeine Ausdruck 
v' 2 — v 2 — k [sin. 2 4 (U' + ü) — sin. 2 \ (U' — TJ)] 
oder, wenn man die Sinus des zweiten Gliedes entwickelt, 
Y 2 — Y 2 — k sin. U sin. U', 
d. h. der Unterschied der Quadrate der Geschwindigkeiten ist dem 
Product aus den Sinus der Winkel proportional, welche von den
	        
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