Full text: Lehrbuch der Experimental-Physik oder Erfahrungs-Naturlehre (Vierter Band)

473 
Subjective optische Erscheinungen. 
Jedes Bild, was wir erblicken , nimmt auf der Netzhaut einen 
bestimmten Platz ein, und es wird durch Anschauen begränzter hel 
lerer und dunklerer Bilder solchergestalt möglich, partielle Herab 
stimmungen und Steigerungen der Reizbarkeit der Netzhaut zu be 
wirken, woraus sich der Erfolg nachstehender Versuche erklärt: 
Man halte ein schwarzes Bild vor eine graue Fläche und sehe 
unverwandt, indem es weggenommen wird, auf denselben Fleck; der 
Raum, den es einnahm, erscheint in derselben Gestalt als das 
Bild, aber um vieles heller als das übrige Grau. Man halte auf 
eben die Art ein weißes Bild hin, und der Raum wird nachher 
dunkler, als die übrige Fläche erscheinen. Man verwende das Auge 
auf der Tafel hin und wieder, so werden in beiden Fällen die Bil 
der sich gleichfalls hin- und herbewcgen; aus dem Grunde, weil 
dann successiv verschiedne Stellen der Tafel vor den Fleck des Auges 
kommen, dessen Sehvermögen modificirt worden ist. 
Sehr bemerkenswerth ist der Umstand, daß ein dunkler Gegen 
stand kleiner erscheint, als ein Heller von derselben Größe. Man 
sehe zugleich eine weiße Rundung auf schwarzem, eine schwarze auf 
weißem Grunde, welche nach einerlei Zirkelschlag ausgeschnitten sind, 
in einiger Entfernung an, und man wird die letztere etwa um ein 
Fünftel kleiner, als die erste halten. Man mache das schwarze 
Bild um so viel größer und sie werden gleich erscheinen Göthe 
har dieß in seiner Farbenlehre schön durch Figuren erläutert. 
Noch weit interessantere und ausfallendere Bestätigungen als 
durch das Betrachten schwarzer und weißer Bilder erhält jedoch der 
oben angeführte Satz durch das Betrachten farbiger Bilder. 
Man lege ein kleines Stück lebhaft farbigen Papiers oder seide 
nen Zeuges auf eine mäßig erleuchtete weiße Tafel oder weißes 
Papier; schaue unverwandt eine Zeitlang auf die kleine farbige 
Fläche, als wenn man jeden Punct davon dem Auge imprimiren 
wollte; und hebe das gefärbte Papier alsdann hinweg, oder schaue 
auch nur statt dessen auf einen andern Fleck des weißen Papiers. 
Man wird jetzt hier ein andres Farbenbild, ganz von der Gestalt der 
farbigen Fläche, erblicken; aber mit einer andern Farbe gefärbt, 
und zwar, was vorzüglich bemerkenswerth ist: die Farbe dieses 
subjectiven Bildes ist jederzeit die Ergänzungsfarbe 
der vor her objectiv angeschauten Farbe. War also das 
objective Farbenbild roth, so wird das danach erscheinende subjective 
Farbenbild grün seyn oder umgekehrt; eben so correspondirt einem 
blauen Arrbenbilde ein orangenes, einem violetten ein gelbes; und 
mir veränderter Nuance des objectiv angeschauten Bildes ändert 
* Hierauf beruht c», daß schwarze Kleider die Personen viel schmäler aus 
sehen machen; daß ein Lineal, hinter welchem ein Kerzenlicht hervorblickt, für 
uns eine Scharte zu haben scheint, u. s. w.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.