Full text: Lehrbuch der Experimental-Physik oder Erfahrungs-Naturlehre (Fünfter Band)

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Von der beweglichen Polarisation. 
krisch in Bezug zur Axe des Prisma's angeordnet, und bilden mit 
ihr gleiche Winkel, deren Größe 20° 20' 55" ist, Beobachtungen 
zufolge, die ich Gelegenheit gehabt habe, an vollständigen Krystallen 
anzustellen, wo das gewöhnliche Brechungsverhältniß 1,6081 betrug. 
Wenn man hienach successiv verschiedene ganz dünne Blätter dieses 
Glimmers ablöst, und senkrecht einem Stral darbietet, der zuvor 
nach einer einzigen Richtung polarisirt worden ist, so müßten sie, 
nach den Gesetzen der festen Polarisation, diesem Stral zwei neue 
auf einander senkrechte Polarisationsrichtungen einpflanzen, deren eine 
in die Ebene fiele, welche die Axen des Blattes enthält, die andere 
senkrecht auf diese Ebene wäre. Nun verhält es sich aber nicht so: 
allerdings spaltet sich der durchgehende Stral nach zwei Polarisations- 
richtungen; allein die eine dieser Richtungen fällt mit der der ur 
sprünglichen Polarisation zusammen; und die andre ist in das Azimut 
2i gerichtet, wenn man i den Winkel nennt, den die Richtung der 
ursprünglichen Polarisation mit der Ebene bildet, welche die Axen 
des Krystalls enthält. Dies ist ganz die nämliche Art der Polaris 
sirung, die wir eben im Fraueneis beobachteten, mit Berücksichti 
gung blos der verschiedenen Richtungen, welche die feste Polarisa 
tion in den Blättern dieser beiden Substanzen nach der Lage ihrer 
Axen haben muß. Die nämliche Uebereinstimmung findet man auch 
in der Beschaffenheit der Farben und der Ordnung ihrer Aufeinan 
derfolge. Das Bündel, welches seine ursprüngliche Polarisation 
behält, zeigt immer die Farbe eines von Newton's durchgegange 
nen Ringen; und dasjenige, welches eine neue Polarisation empfängt, 
die Farbe des entsprechenden zurückgeworfenen Ringes. Das Ver 
hältniß der successiven Dicken, welche diese verschiedenen Farben 
geben, ist auch streng das nämliche. Mit einem Worte, alle Ge 
setze der Erscheinung sind ganz dieselben. Blos in dem absoluten 
Werthe der Dicken findet ein Unterschied Statt, indem dieser Werth 
für den reinsten Sibirischen Glimmer, wie der, von dem so eben 
die Rede war, größer als für das Fraueneis im Verhältniß von 
696 zu 365 ist. 
Viele andere, ebenfalls unter dem Namen Glimmer begriffene, 
Substanzen wirken auf das polarisirte Licht mit dem Sibirischen 
Glimmer auf gleiche Weise, weil sie auch zwei, eben so in Bezug 
zu der Ebene ihrer Blätter gelegene, Axen besitzen. Aber die Win 
kel dieser Axen und die absolute Stärke ihrer Wirkung sind ver 
schieden; wonach die Dicken, bei welchen die verschiedenen Farben 
erscheinen, es auch sind, obwohl die Verhältnisse der Dicken in Be 
zug zu den successiven Farben unveränderlich bleiben. 
Endlich giebt es auch noch andere Mineralien, ebenfalls Glim 
mer genannt, die nur eine einzige, auf die Ebene ihrer Blatter 
senkrechte , Axe besitzen. Hieher gehört z. B. eine grünliche Varie 
tät, die häufig unter den vulkanischen Auswürfen des Vesuvs anzu 
treffen ist. Solche Blätter lassen, wenn sie auf die Ringe unseres
	        
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