156
Von der beweglichen Polarisation.
krisch in Bezug zur Axe des Prisma's angeordnet, und bilden mit
ihr gleiche Winkel, deren Größe 20° 20' 55" ist, Beobachtungen
zufolge, die ich Gelegenheit gehabt habe, an vollständigen Krystallen
anzustellen, wo das gewöhnliche Brechungsverhältniß 1,6081 betrug.
Wenn man hienach successiv verschiedene ganz dünne Blätter dieses
Glimmers ablöst, und senkrecht einem Stral darbietet, der zuvor
nach einer einzigen Richtung polarisirt worden ist, so müßten sie,
nach den Gesetzen der festen Polarisation, diesem Stral zwei neue
auf einander senkrechte Polarisationsrichtungen einpflanzen, deren eine
in die Ebene fiele, welche die Axen des Blattes enthält, die andere
senkrecht auf diese Ebene wäre. Nun verhält es sich aber nicht so:
allerdings spaltet sich der durchgehende Stral nach zwei Polarisations-
richtungen; allein die eine dieser Richtungen fällt mit der der ur
sprünglichen Polarisation zusammen; und die andre ist in das Azimut
2i gerichtet, wenn man i den Winkel nennt, den die Richtung der
ursprünglichen Polarisation mit der Ebene bildet, welche die Axen
des Krystalls enthält. Dies ist ganz die nämliche Art der Polaris
sirung, die wir eben im Fraueneis beobachteten, mit Berücksichti
gung blos der verschiedenen Richtungen, welche die feste Polarisa
tion in den Blättern dieser beiden Substanzen nach der Lage ihrer
Axen haben muß. Die nämliche Uebereinstimmung findet man auch
in der Beschaffenheit der Farben und der Ordnung ihrer Aufeinan
derfolge. Das Bündel, welches seine ursprüngliche Polarisation
behält, zeigt immer die Farbe eines von Newton's durchgegange
nen Ringen; und dasjenige, welches eine neue Polarisation empfängt,
die Farbe des entsprechenden zurückgeworfenen Ringes. Das Ver
hältniß der successiven Dicken, welche diese verschiedenen Farben
geben, ist auch streng das nämliche. Mit einem Worte, alle Ge
setze der Erscheinung sind ganz dieselben. Blos in dem absoluten
Werthe der Dicken findet ein Unterschied Statt, indem dieser Werth
für den reinsten Sibirischen Glimmer, wie der, von dem so eben
die Rede war, größer als für das Fraueneis im Verhältniß von
696 zu 365 ist.
Viele andere, ebenfalls unter dem Namen Glimmer begriffene,
Substanzen wirken auf das polarisirte Licht mit dem Sibirischen
Glimmer auf gleiche Weise, weil sie auch zwei, eben so in Bezug
zu der Ebene ihrer Blätter gelegene, Axen besitzen. Aber die Win
kel dieser Axen und die absolute Stärke ihrer Wirkung sind ver
schieden; wonach die Dicken, bei welchen die verschiedenen Farben
erscheinen, es auch sind, obwohl die Verhältnisse der Dicken in Be
zug zu den successiven Farben unveränderlich bleiben.
Endlich giebt es auch noch andere Mineralien, ebenfalls Glim
mer genannt, die nur eine einzige, auf die Ebene ihrer Blatter
senkrechte , Axe besitzen. Hieher gehört z. B. eine grünliche Varie
tät, die häufig unter den vulkanischen Auswürfen des Vesuvs anzu
treffen ist. Solche Blätter lassen, wenn sie auf die Ringe unseres