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Von der beweglichen Polarisation.
Apparates gebracht und dem polarisirten Stral senkrecht ausgesetzt
werden, ihn durchgehen ohne ihm irgend eine Modification einzu
pflanzen, welche Lage man auch den verschiedenen Theilen des Blat
tes aus ihrer eigenen Ebene geben mag. In der That ist dies gleich
gültige Verhalten eine nothwendige Folge daraus, daß der Stral
dann durch das Krystallblatt nach der Richtung dieser Axe hindurch
geht, weil die Kräfte, welche die Polarisation Hervorrufen, nach
der Richtung dieser Axe selbst null werden, eben sowohl als die,
welche die doppelte Geschwindigkeit der Stralen bewirken.
Dies sind die einzigen Axen - Anordnungen, die man bisher in
den Substanzen, die sich von Natur in dünne Blätter spalten lassen,
gefunden hat. Die Beobachtung der Erscheinung läßt sich aber viel
mehr verallgemeinern, wenn man durch Kunst geschnittene Blätter
in Anwendung ziehen will. So lassen sich Blätter von Beryll und
Bergkrystall, welche parallel mit der Axe der Krystallform dieser
Substanzen, die zugleich ihre einzige Axe doppelter Brechung ist,
zugeschnitten sind, künstlich so weit verdünnen, daß sie Bündel geben,
welche bemerkbar gefärbt erscheinen, wenn man sie senkrecht einem
polarisirten Stral auf unserm Apparate aussetzt. Dann befolgen
die Farben dieser Bündel ganz die obigen Gesetze, sowohl hinsicht
lich ihrer Beschaffenheit, welche immer mit der der Ringe überein-
kommt, als hinsichtlich der Abstufungen der Dicke, bei welcher sie
sich zeigen, und des Azimuts, in welchem das ungewöhnliche Bild
polarisirt ist. Dieses Azimut ist immer das Doppelte von dem-
jenigen, in welches inan die Axe des Blattes dreht, und in welchem
die feste Polarisation erfolgen sollte. Es hält aber sehr schwer, bei
diesen Versuchen das erfoderliche Zusammentreffen einer ausnehmen-
den Dünne der Blätter mit einem vollkommenen Parallelismus ihrer
Flächen zu erreichen; und nur dadurch vermag man zum Zweck zu
gelangen, daß man sie auf Glasplatten leimt, wenn sie noch eine
hinlänglich große Dicke haben, und sie dann bis zu dem, zur Her
vorbringung der Farben erfoderlichen, Grade verdünnt.
Durch diese Prüfungen und viele andere von noch allgemeine
rer Anwendung, die ich in der Folge ihren Gründen nach erörtern
werde, habe ich gefunden, daß bei allen Krystallen, welche diese
Farbenerscheinungen hervorrufen, und zwar nach den obigen Gesetzen
hervorrufen, die Dicken, bei welchen die nämlichen Farben unter senk
rechter Incidenz erscheinen, sich dem Gliede ksmUsinU' umgekehrt
proportional verhalten, welches in den, S. 347 Th. IV. angeführten
Formeln der doppelten Brechung den Zuwachs oder die Verminde
rung ausdrückt, welche die, der ungewöhnlichen Brechung unterge
benen, Theilchen im Quadrat ihrer Geschwindigkeit erfahren, je nach
der Richtung Weges, die man sie nehmen, und der Beschaffenheit
des Krystalls, durch den man sie gehen läßt. Beim Fraueneis z. B.
bleibt, wenn die Stralen durch die Blätter unter senkrechtem Ein
fallen hindurchgehen, wie bei obigen Versuchen, der ungewöhnlich