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Von der Polarisation durch Drehung.
man die Drehung vor sich gehend anzunehmen hat. Wenn ein und
der nämliche einfache Stral auf solche Art successiv durch zwei Plat
ten, welche entgegengesetzte Drehungen hervorbringen, hindurchgeht,
so ist die definitive Ablenkung seiner Polarisation der Unterschied
dieser beiden Wirkungen, verhalt sich mithin eben so, als wenn der
Stral durch eine einzige Platte hindurchgegangen wäre, von einer
Dicke gleich dem Unterschiede der beiden vereinigten Platten; und
da dies gleichermaßen für alle Arten einfacher Stralen gilt, so gilt
es auch für ihre Gesammtheit; d. h. wenn ein weißer polarisirter
Stral durch das System zweier Platten, welche entgegengesetzte Dre
hungen zu Wege bringen, hindurchgeht, so giebt er genau die näm
lichen Farben, als wenn er durch eine einzige Platte von der Dicke
ihres Unterschieds hindurchgegangen wäre: woraus erhellt, daß, wenn
die so verbundenen Platten von gleicher Dicke sind, eine vollkommene
Compensation der Drehungen Statt haben, und das Bündel sich
nach dem Durchgänge vollkommen zur ursprünglichen Polarisation
zurückgeführt finden wird.
Das Vorhandenseyn solcher, nach der Richtung der Axe wir
kenden, Drehungskräfte, wo die von der doppelten Brechung abhän
gigen Kräfte null sind, gab zur Genüge zu erkennen, daß sie nicht
auf dem krystallinischen Zustande beruhten. Auch habe ich sie in
Substanzen, die nicht allein keine regelmäßige Krystallisation besa
ßen, sondern selbst in vollkommen flüssigen wiedergefunden, wie dem
Terpentinöl und Zitronenöl, den Auflösungen des Kamphers in Alko
hol, dem Zuckersyrup u. s. w. ; und, was sehr merkwürdig ist, die
Modificationen, welche den Lichtstralen durch diese Flüssigkeiten ein
gepflanzt werden, sind ganz die nämlichen und ganz den nämlichen
Gesetzen unterworfen, als diejenigen, welche der Bergkrystall hervor
bringt. Man kann diese Uebereinstimmung nachweisen, indem man
die zu prüfenden Flüssigkeiten in Kupferröhren von verschiedenen Län
gen bringt, welche inwendig verzinnt, und an ihren beiden Enden
durch parallelflächige Glasplatten verschlossen sind, wodurch man
wahre flüssige Platten erhält, denen man verschiedene Dicken geben
kann. Läßt man dann einen polarisirten Stral durch diese Platten
hindurchgehen, so lassen sich die nämlichen Versuche daran wieder
holen, als an den Krystallplatten, und man erkennt die nämliche
Wirkungsart an ihnen. Blos die Dicken, welche die nämlichen
Farben geben, sind in ihrem absoluten Werthe verschieden. Z. B. die
Ablenkung, welche das Terpentinöl hervorbringt, verhält sich zu der
jenigen, welche >nan durch den Bergkrystall bei gleicher Dicke erhält,
wie 1 zu 08, 55 ; und dies Verhältniß ist für alle einfachen Stralen
derselben Art beständig; woraus folgt, daß eine flüssige Platte Ter
pentinöl genau dieselben Wirkungen hervorbringt, welche eine (fast)
69mal dünnere Platte von Bergkrystall geben würde. Die Wirkung
des ätherischen Zitronenöls ist nicht so schwach, indem sie sich zu der
des Terpentinöls wie 05 zu 38 verhält. Hier stimmt die nämliche