Full text: Lehrbuch der Experimental-Physik oder Erfahrungs-Naturlehre (Fünfter Band)

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Von der Polarisation durch Drehung. 
man die Drehung vor sich gehend anzunehmen hat. Wenn ein und 
der nämliche einfache Stral auf solche Art successiv durch zwei Plat 
ten, welche entgegengesetzte Drehungen hervorbringen, hindurchgeht, 
so ist die definitive Ablenkung seiner Polarisation der Unterschied 
dieser beiden Wirkungen, verhalt sich mithin eben so, als wenn der 
Stral durch eine einzige Platte hindurchgegangen wäre, von einer 
Dicke gleich dem Unterschiede der beiden vereinigten Platten; und 
da dies gleichermaßen für alle Arten einfacher Stralen gilt, so gilt 
es auch für ihre Gesammtheit; d. h. wenn ein weißer polarisirter 
Stral durch das System zweier Platten, welche entgegengesetzte Dre 
hungen zu Wege bringen, hindurchgeht, so giebt er genau die näm 
lichen Farben, als wenn er durch eine einzige Platte von der Dicke 
ihres Unterschieds hindurchgegangen wäre: woraus erhellt, daß, wenn 
die so verbundenen Platten von gleicher Dicke sind, eine vollkommene 
Compensation der Drehungen Statt haben, und das Bündel sich 
nach dem Durchgänge vollkommen zur ursprünglichen Polarisation 
zurückgeführt finden wird. 
Das Vorhandenseyn solcher, nach der Richtung der Axe wir 
kenden, Drehungskräfte, wo die von der doppelten Brechung abhän 
gigen Kräfte null sind, gab zur Genüge zu erkennen, daß sie nicht 
auf dem krystallinischen Zustande beruhten. Auch habe ich sie in 
Substanzen, die nicht allein keine regelmäßige Krystallisation besa 
ßen, sondern selbst in vollkommen flüssigen wiedergefunden, wie dem 
Terpentinöl und Zitronenöl, den Auflösungen des Kamphers in Alko 
hol, dem Zuckersyrup u. s. w. ; und, was sehr merkwürdig ist, die 
Modificationen, welche den Lichtstralen durch diese Flüssigkeiten ein 
gepflanzt werden, sind ganz die nämlichen und ganz den nämlichen 
Gesetzen unterworfen, als diejenigen, welche der Bergkrystall hervor 
bringt. Man kann diese Uebereinstimmung nachweisen, indem man 
die zu prüfenden Flüssigkeiten in Kupferröhren von verschiedenen Län 
gen bringt, welche inwendig verzinnt, und an ihren beiden Enden 
durch parallelflächige Glasplatten verschlossen sind, wodurch man 
wahre flüssige Platten erhält, denen man verschiedene Dicken geben 
kann. Läßt man dann einen polarisirten Stral durch diese Platten 
hindurchgehen, so lassen sich die nämlichen Versuche daran wieder 
holen, als an den Krystallplatten, und man erkennt die nämliche 
Wirkungsart an ihnen. Blos die Dicken, welche die nämlichen 
Farben geben, sind in ihrem absoluten Werthe verschieden. Z. B. die 
Ablenkung, welche das Terpentinöl hervorbringt, verhält sich zu der 
jenigen, welche >nan durch den Bergkrystall bei gleicher Dicke erhält, 
wie 1 zu 08, 55 ; und dies Verhältniß ist für alle einfachen Stralen 
derselben Art beständig; woraus folgt, daß eine flüssige Platte Ter 
pentinöl genau dieselben Wirkungen hervorbringt, welche eine (fast) 
69mal dünnere Platte von Bergkrystall geben würde. Die Wirkung 
des ätherischen Zitronenöls ist nicht so schwach, indem sie sich zu der 
des Terpentinöls wie 05 zu 38 verhält. Hier stimmt die nämliche
	        
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