Full text: Lehrbuch der Experimental-Physik oder Erfahrungs-Naturlehre (Fünfter Band)

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Von der Polarisation durch Drehung. 
Flüssigkeit immer in ihren Wirkungen mit sich selbst überein und 
bewirkt die Drehung stets nach der nämlichen Richtung; allein die 
Entgegensetzung der Wirkung, welche beim Bergkryftalle zwischen ver 
schiedenen Krystallen Statt findet, findet sich hier zwischen Flüssig 
keiten von verschiedener Beschaffenheit wieder. So lenkt das Ter 
pentinöl die Polarisationsebenen von Rechts nach Links in Bezug zu 
dem Beobachter, dessen Auge die Stralen empfangt, ab; das äthe 
rische Zitronenöl dagegen von Links nach Rechts, und die nämliche 
Entgegensetzung findet in einer großen Menge anderer Substanzen 
Statt. Gewiß eine sehr merkwürdige Erscheinung, einen Lichtstral, 
der ursprünglich mit symmetrischen Eigenschaften rechts und links von 
- seiner Zurückwerfungsebene begabt ist, diese Symmetrie in einer 
homogenen Flüssigkeit verlieren zu sehen, in welche er unter senk 
rechter Jncidenz eindringt. Die Veränderung, welche solchergestalt 
immer nach einer und der nämlichen Richtung durch eine und die 
selbe Flüssigkeit, nach verschiedenen aber durch verschiedene Flüssig 
keiten bewirkt wird, scheint mir aufs Stärkste für die Materialität 
j des Lichts zu sprechen. Denn leicht läßt sich eine solche Wirkung als 
an Lichttheilchen vorgehend denken, die an ihren verschiedenen Flä 
chen mit verschiedenen Eigenschaften begabt seyn können; dagegen 
man sich nur sehr schwierig so verwickelte Modificationen vorstellen 
könnte, als derselbe Erfolg bei den Undulationen erfodern müßte. 
Versuchen wir jetzt, uns von den Gesetzen dieser Erscheinungen 
zur Kenntniß der Kräfte, von denen dieselben abhängen, zu erheben, 
so treffen wir auf mehrere besondere Umstände, die mit ausnehmen 
der Wahrscheinlichkeit dahin zu deuten scheinen, daß sie aus einem, 
den Theilchen gewisser Körper selbst inhärirenden, Vermögen beruhen. 
Denn zuvörderst, wenn man sie in festen Körpern beobachtet, so kann 
man sie nur dann darin wahrnehmen, wenn man die Stralen nach 
Richtungen hindurchgehen läßt, für welche die, vom Aggregatzustande 
abhängenden, Kräfte null oder nur sehr schwach sind. Wir finden 
sie auch in Flüssigkeiten wieder, deren Theilchen frei und unabhängig 
von einander find, und sie haben ihren Bestand darin ohne Stö 
rung, auch wenn man die Ordnung und Anlagerung der Theilchen 
durch Bewegung der Flüssigkeit ändert. Endlich ist in diesem letz 
teren, wie in allen andern Fällen die, den Lichtstralen eingepflanzte, 
Drehung der Dicke der Substanz, mithin der Zahl ihrer Theilchen 
proportional. Alles dies scheint aufs Einleuchtendste ein Vermögen 
anzudeuten, welches von den einzelnen Theilchen selbst unmittelbar 
abhängt. Und wirklich geben alle Versuche, die man von dieser 
Ansicht ausgehend anstellen kann, auf's Vollkommenste ihre Bestä 
tigung. Aendert man beliebig die natürlichen Abstände der Theilchen 
des Terpentinöls oder irgend einer andern Substanz, welche mit dem 
Vermögen, die Drehung hervorzubringen, begabt ist, wie sich durch 
Vermischung derselben mit andern, von diesem Vermögen entblöß 
ten, Flüssigkeiten bewerkstelligen laßt, so bleibt die der Polarisation
	        
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