Full text: Lehrbuch der Experimental-Physik oder Erfahrungs-Naturlehre (Fünfter Band)

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in unbegränzlen Mitteln. 
Aus dem bloßen Anblick dieser Tabelle ergicbt sich der sehr un 
gleiche Gang beider Instrumente. Das mit Leinwand umhüllte erkal 
tete weit schneller als das andere. Wir werden sogleich aus drese 
Thatsache zurückkommen, welche mit einem der bemerkenswerthesten 
Gesetze der Wärmeftralung zusammenhangt. Für jetzt betrachten wir 
blos den Gang jedes Apparats für sich, und fangen mit No. 1 an. 
Die erste Bemerkung, welche sich darbietet, ist, daß die Tem 
peratur des Apparats in den ersten Augenblicken, wo sie viel höher 
als die der umgebenden Luft war, sehr schnell abnahm; alsdann 
verzögerte sich ihr Sinken in dem Maße, als dieser Ueberschuß klei 
ner ward; wonach die strenge Gleichheit der Temperaturen eine 
Gränze zu seyn scheint, die nur im Unendlichen erreicht werden 
kann. Dies ist ganz analog mit der Art, wie wir die Elektricität 
durch Berührung der Luft verloren gehen sahen; auch findet hiebei 
das nämliche Gesetz Statt. DaS Sinken des Thermometers im 
Apparat in einer unendlich kleinen Zeit laßt sich dem jedesma 
ligen Ueberschuß seiner Temperatur über die der umgebenden Luft 
proportional setzen. Dies Gesetz beobachtet inan auch bei der Er 
warmung der Körper, wenn ihre Temperatur niedriger als die des 
umgebenden Mittels ist. Bringt man seinen Ausdruck auf eine 
Formel, so vermag man danach vorauszusehen, auf welchem Grade 
sich das Thermometer des Apparats in irgend einem Zeitpunct be 
finden wird, sobald man blos die Grade kennt, die es für zwei be 
kannte Zeitpuncte gezeigt hat. Eine einfache Logarithmenrechnung 
reicht hiezu hin, wie fich in meinem größer» Werke erörtert findet, 
wo die zu befolgende Rechnungsmethode auf die vorstehenden Ver 
suche und viele andere, welche in der Luft und in verschiedenen 
tropfbaren Flüssigkeiten angestellt wurden, angewandt ist. Denn die 
Art des Fortschreitens ist in allen Mitteln die nämliche, blos seine 
absolute Schnelligkeit ändert sich. 
Die Entdeckung dieser schönen Resultate verdanken wir New 
ton, der, von der Ansicht ausgehend, daß die Temperatur das 
Resultat der ganzen freien Wärme eines Körpers sey, den Schluß 
zog, daß zwei sich berührende Körper sich in jedem unendlich kleinen 
Augenblicke wechselseitig O-uantitäten derselben mittheilen müßten, 
welche denen, die jeder besitzt, proportional wären. Newton be 
währte dies Gesetz durch directe Versuche; dehnte es aber zu weit 
aus, indem er es durch die ganze Stufenfolge der Temperaturen für 
daraus zu ziehende Folgerungen gültig hielt. Durch eine zahlreiche 
Reihe von Versuchen, welche De Laroche angestellt hat, ist indeß auf 
unbestreitbare Weise erwiesen, daß die von Newton angenommene 
Proportionalität nur annäherungsweise gültig ist, und zwar mir so 
lange für statthaft angesehen werden kann, als der Temperaturunter 
schied der sich berührenden Körper sehr gering ist, in dem Maße 
aber, als dieser zunimmt, sich immer mehr von der Wahrheit ent 
fernt. Zn diesem Fall wächst der Verlust des wärmern Körpers an
	        
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