Full text: Lehrbuch der Experimental-Physik oder Erfahrungs-Naturlehre (Fünfter Band)

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Von den Dampfmaschinen. 
Theil nieder, und fließt mit dem Wasser, welches aus dieser Ver 
dichtung hervorgeht, durch die Röhre PGS' ab, worauf der Stem 
pel P wegen der, nun unter ihm entstandenen, Luftleere durch den 
Druck der Atmosphäre zum Absteigen vermocht wird. Man erhebt 
ihn abermals durch neues Einlassen von Dampf; denn wenn, wie 
wir voraussetzten, das Wasser in dem Dampfkessel kochend erhalten 
wird, so hat der Dampf eine Spannkraft, welche der der Luft we 
nigstens gleich kommt; und sein Zutritt unter den Stempel P reicht 
somit hin, dem Drucke der Atmosphäre die Wage zu halten, worauf 
der Gewichtsüberschuß von P' das Aufsteigen von P bewirkt, wie 
bei unseren früheren Voraussetzungen. Andrerseits aber könnte der 
Dampf, wenn er zu warm würde, durch die Macht seiner Elasti 
cität das Zerspringen des Dampfkessels bewirken; deshalb bringt man 
an seinem oberen Theile ein Sicherheitsventil S" an, das von Innen 
nach Außen durch eine bekannte und bestimmte Kraft erhoben zu 
werden vermag. So lange die Spannkraft des Dampfes der der 
äußern Luft gleich oder schwächer ist, bleibt das Ventil geschlossen, 
so wie aber diese Kraft gleich der der Atmosphäre plus dem Wider 
stande, den das VenNl leistet, geworden ist, so entweicht der Dampf, 
und man hat keine Explosion zu fürchten. Dessen ungeachtet aber 
müssen die Wände des Dampfkessels noch stärker seyn, als diese 
Gränze des Widerstandes zu erfodern scheint. Denn wenn der Dampf 
in den kalten Cylinder hineinströmt, und sich verdichtet, so geschieht 
dies mit so reißender Schnelligkeit, daß der neue Dampf, der sich 
im Dampfkessel bildet, oft nicht zum augenblicklichen Ersätze desselben 
hinreicht. Es entsteht für den Augenblick ein leerer Raum im Dampf- 
kessel, und dieser kann nun, wenn seine Wände nicht hinreichende 
Festigkeit besitzen, durch den äußern Luftdruck, der seines Gegenhaltes 
beraubt ist, zersprengt werden, wie es wirklich einige Male geschehen 
ist. Dieser Unfall läßt sich jedoch durch Anbringung eines zweiten 
Sicherheitsventils verhüten, welches sich, wenn der äußere Druck zu 
sehr die Oberhand gewinnt, von Außen nach Innen öffnet. 
Nach dieser Auseinandersetzung scheint es, als ob, wenn die 
Maschine einmal iin Gange ist, im Stempel und Pumpenstiefel nichts 
weiter mehr vorhanden seyn könnte, als leerer Raum oder Wasser 
dunst. Allein man muß nicht außer Acht lassen, daß das Einspritz 
wasser auch Luft gebunden hält und diese im Pumpenstiefel fahren 
läßt, weil es sich darin fast wie im leeren Raum befindet, und noch 
außerdem, weil es darin durch die große Wärmemenge, die der Dunst 
beim Tropfbarwerden entbindet, beträchtlich erwärmt wird. Glück 
licherweise indeß wird diese Luft, da sie nur in kleiner Menge und 
in einem kleinen Raume vorhanden ist, mit dem ersten Stoß des 
hinzugelassenen Dunstes leicht durch das Ventil S ausgetrieben. 
Die hier beschriebene Einrichtung der Dampfmaschine weicht von 
den zuerst erfundenen etwas ab. Anfangs scheint man blos daran 
gedacht zu haben, von der Spannkraft des Dampfes als bewegender 
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