Full text: Lehrbuch der Experimental-Physik oder Erfahrungs-Naturlehre (Fünfter Band)

Temperatur der Erde im Allgemeinen. 
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Wenn irgend einmal ein Anfang der Einwirkung der Sonne 
Statt gefunden hat, so kann die Temperatur dieser Oberflache nicht 
gleich Anfangs dieselbe gewesen seyn, als wir sie jetzt beobachten, 
sondern sie wird allmalig erst zu dem Endzustände gelangt seyn, der 
sich jetzt unverändert forterhalt und blos von der Lage jedes Punctes 
auf ihr abhängt. Dieser Endzustand der Masse, welche von der 
Sonnenwärme durchdrungen wird, ist genau vergleichbar dem Zu 
stande eines Gefäßes, in welches aus einer constanten Quelle eine 
Flüssigkeit einfließt, während zugleich eine ganz gleiche Quantität 
Flüssigkeit durch einen oder mehrere Wege ausfließt. Auf dieselbe 
Weise dringt die Sonnenwärme in das Innere der Erde fortgehends 
ein, namentlich an den Theilen, welche dem Aequator zunächst lie 
gen und zerstreut sich wieder durch die Polargegenden, so daß jede 
Stelle in der nämlichen Zeit so viel Wärme abgiebt, als sie andrer 
seits empfängt. Fourier hat durch seine Analyse den Weg, wel 
chen die Wärme bei diesem Abfluß und Zufluß nimmt, näher be 
stimmt. 
Denken wir uns jetzt wieder die äußere Kruste der Erde, deren 
Puncte nicht tief genug liegen, um eine fixe Temperatur anzuneh 
men, hinzu, so tritt uns eine Reihe zusammengesetzterer Erscheinun 
gen entgegen, welche jedoch die Analyse ebenfalls unter sich befaßt. 
Zn einer mittelmäßigen Tiefe, z. B. von 3 bis 4 Metern, 
ändert sich die beobachtete Temperatur nicht während der Dauer eines 
Tages, sehr merklich aber im Laufe eines Jahres, abwechselnd stei 
gend und fallend. Die Größe dieser Variation, d. i. die Differenz 
zwischen dem Maximum und Minimum der Temperatur, ist nicht 
dieselbe in allen Tiefen, vielmehr um so geringer, je größer der 
Abstand von der Oberfläche ist. 
Die verschiedenen Puncte einer und derselben Verticals gelan 
gen nicht zu gleicher Zeit zu diesen äußersten Temperaturen; sondern 
so wie die Größe der Variation, so ist auch die Zeit des Jahres, 
welche den größten, mittlern oder kleinsten Temperaturen entspricht, 
nach der Lage des Puncts in der Verticale variabel« Dasselbe gilt 
von den Wärmequantitäten, welche abwechselnd absteigen und auf 
steigen: alle diese Werthe sind durch gewisse Beziehungen mit ein 
ander verknüpft, welche die Erfahrung kennen lehrt, und die Analyse 
so genau unter ihren Formeln befaßt, daß die Uebereinstimmung der 
Theorie mit der Erfahrung nicht schöner gewünscht werden kann. 
Die mittlere jährliche Temperatur jedes beliebigen Puncts der 
Verticale, d. h. der mittlere Werth aller der Temperaturen, welche 
an diesem Puncte das ganze Jahr hindurch Statt finden, ist aber 
jedenfalls unabhängig von der Tiefe; sie ist die nämliche, für alle 
Puncte der Verticale und stimmt mit der fixen Temperatur überein, 
welche man in der vorhin betrachteten Tiefe wahrnimmt. 
Zn den Theilen der Erdkruste, welche der äußersten Oberfläche 
zunächst liegen, steigt und fällt das Thermometer im Laufe jedes
	        
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