Erklärung zu den Kupfertafeln.
Die Zeitverhältnisse haben auch auf die Fortsetzung und den Schluss der bereits im Jahre 1847
in der französischen Ausgabe erschienenen sten Abtheilung der vorliegenden Facaden verzögernd
eingewirkt. Denselben sind jetzt noch zwei Entwürfe zu einem Krankenhause und einer Privalt-
wohnung beigefügt worden.
Zu den Entwürfen selbst füge ich zunächst, in allgemeiner Hinsicht genommen und mit Bezie-
nn auf die desfallsigen Bemerkungen zu den Kupfertafeln der Isten Abtheilung, noch Folgen-
es bei.
Da die gegebenen Facaden besonders für städtische Wohngebäude bestimmt sind, mithin gleich-
sam in Reihe und Glied die Stelle einzunehmen haben, die denselben von der Bau- Polizei in den
allgemeinen Strassenlinien angewiesen wird, so musste deshalb auch schon vorweg darauf verzichtet
werden, die Mannichfaltigkeit und das Malerische derselben durch die Anordnung von hervorstehen-
den Theilen an denselben zu erhöhen, obwohl der spitzbogige Styl vorzugsweise hierzu geeignet ist.
Demungeachtet dürften diese Facaden in der Ausführung eine ausreichende Abwechslung in den Ver-
hältnissen und Formen der einzelnen Theile wie in der des Ganzen gewähren. Denn ausser der
Verschiedenheit, welche schon der geometrische Aufriss derselben gegen einander ergiebt, tritt dann
auch besonders die Verschiedenheit der einzelnen Theile nach der Tiefe des Gehäudes hinzu. So
geben namentlich die Fagaden Taf. I, IX, III, ferner Taf. IV in der Isten Abtheilung, an welchen
die Fenster zum Behufe der innerhalb der Mauerstärke angeordneten Fensterläden und Jalousien
zurückgestellt sind, eine wesentlich verschiedene Ansicht gegen die andern Facaden, wo die Fenster
nur in der gewöhnlichen Vertiefung stehen. Ausserdem unterstützt auch die bei dem spitzbog. Styl
stattfindende charakteristische Abschmiegung der Ecken und deren gewöhnliche Verzierung mit Hohl-
kehlen, ausser den Vortheilen für die Conservirung der Gebäude, auch das Mannichfaltige für den
Anblick, sowohl in den Formen als in der Licht- und Schattengebung der einzelnen Partieen. Auch
an den speciellen Theilen der Facaden, den Fenstern, Thüren, Geländern u. dergl., wird sich bei
näherer Betrachtung immer etwas Eigenthümliches oder Verschiedenes ergeben. Hinsichtlich der Ver-
zierung der einzelnen Glieder selbst mit Blättern, Rosetten u. dergl. geben hesonders die Facaden in
der Isten Abtheilung zahlreiche Motive an, um auch den andern einfacher gehaltenen Entwürfen, bau-
lichem Verlangen gemäss, mehr Schmuck zu verleihen. Im VUebrigen erlaube ich mir hierbei auf Das,
was ich schon mehrmals , namentlich im Vorworte des 6ten Heftes d. W. über Einfachheit im Ent-
wurfe gesagt habe, so wie in welcher Weise ich diese Einfachheit zu erreichen mich bestrebe, auf-
merksam zu machen.
An den Facaden ist bei den einzelnen Etagen versucht worden, denselben’ von der ersten Etage
an nach der obern zu, sowohl in den Gesimsen, Geländern u. dergl., wie in den Verzierungen über-
haupt eine geminderte Gradation an Grösse oder sonstiger Reichhaltigkeit zu geben. Nur zu häufig
wird in dieser Anordnung, welche die Gesammt- Ansicht des Gebäudes so wesentlich auf eine ange-
messsene Weise unterstützt, selbst von Architekten gefehlt, ja ganz grundsatzlos verfahren, die sich
(ür befähigt halten Musterbilder für den Unterricht aufzustellen. So werden oft die Sohlbäuke oder
Gurtgesimse und die Vordachungen an den Fenstern in Höhe und Ausladung grösser construirt als die
Gurtgesimse, welche die Etagen bezeichnen; während die Fenster doch nur Theile von den Etagen
sind und deshalb die Gesimse an jenen auch von kleinerer Dimension wie an diesen sein müssen.
Die als Regel bei den Facaden angeordneten Stockwerkgesimse halte ich für um so angemessener,
als solche ausser den Vortheil, den sie theils durch die Ableitung des Regens für die Conservirung,
theils für die Belebung der äussern Wandfläche überhaupt den Gebäuden gewähren, auch jenen rich-
tigen Grundsatz unterstützen, dass das Aeussere der Gebäude in seinen Grundzügen auch die Zweeck-
bestimmung des Innern desselben markiren oder erkennen lassen müsse. Noch mehr verwerflich
ist ferner die Anordnung von durchlaufenden Fenstergurten ohne darunter befindliche Gesimse,
welche die Stockwerke bezeichnen. Die Fenster erhalten dann bei dem Mangel jedes, wenn auch nur
niedrigen Brüstungsgeländers, ganz das Ansehen von Thüren, wobei die Gurte die Sohlbank bildet,
Besonders wird diese Ansicht noch unterstüzt, wenn dem Gurtgesimse eine erhebliche Grösse und
seinen Gliedern gewisse Abzeichen, die nur an Hauptgesimsen vorkommen, gegeben wird, wie die-
ses z. B. an dem, in einem Misch-Masch-Style erbauten grossen Bahnhofs - Gebäude in Erfurt der
Fall ist. Hier sind an dem Fenstergesimse grosse Zahnschnitte angebracht, ‘die, ganz abgesehen da-
von, dass solche in dieser Art zu dem in einem mittelalterlichen Style gehaltenen Gebäude nicht passen,
dem Fenstergurtgesimse noch mehr das Ansehen von einem Haupt- oder Stockwerkgesimse verleihen.
Die an den Fenstern, wo nicht ein halkonförmiges Geländer angeordnet ist, gewöhnlich in halb
voller und halb durchbrochener Arbeit angenommenen Brüstungen verleihen nicht allein in ihrer obern
Hälfte oder den Geländern dem Gebäude eine Zierde und Mannichfaltigkeit, sondern sie gewähren
auch den innern Räumen mehr Licht, Beförderung der Trockenheit, so wie Erleichterung bei der
Luftreinigung. Eben so sind die bei den mehrsten Facaden am Fusse des Daches angenommenen Ge-
länder theils zur Zierde, theils gegen das Herabfallen des Schnees und des Dachmaterials, theils zur
Bildung von Galerien, besonders zur Benutzung bei öffentlichen Festlichkeiten angeordnet, obwohl
solche unbeschadet der Facaden selbst auch ganz weggelassen werden können.
An denjenigen Facaden, wo im Erdgeschoss auf der einen Seite Kaufläden und auf der andern
gewöhnliche Fenster zu Wohnungs -Räumen dargestellt sind, ist aus dieser Verbindung hinsichtlich
der Höhe einiger Zwiespalt entstanden. Wenn die angenommenen 12— 13 Fuss rheinländ. für Kauf-
läden von der dargestellten Grösse schon eine reichliche Höhe geben, so ist dagegen, wo dieses Be-
dürfniss bei Neubauten nicht vorliegt, an der Höhe des Erdgeschosses und der Plinthe zuzuseltzen,
damit dieses den jetzt zu niedrig scheinenden Thorwegen und Fenstern zu Gute kommt.
Für die Stärke der Umfangsmauern giebt natürlich das dazu zu verwendende Material erst den
nähern Massstab an.
Von den Details, welche den Facaden beigegeben, sind, wie bei der Isten Abtheil., die Profile
von den Gesimsen an den Etagen und den Fenstern zehnfach vergrössert, die übrigen Gegenstände da-
gegen fünffach vergrössert dargestellt, wie solches die Massstäbe näher bezeichnen. Hinsichtlich der
Construirung der Fensterrippen, so wie der von den Verzierungen überhaupt, verweise ich auf meinen
„Beitrag zur speziellen Darstellung des spitzbogigen Baustyls.“