110
Ist der Nachtheil, den eine Lauine verursacht, der Art, daß eine
Verbauung derselben Vortheilhaft erscheint, so ist vor Allem an Ort
und Stelle zu untersuchen, ob diese möglich sei. Zu diesem Augen
schein sind Männer beizuziehen, welche Gelegenheit hatten, die Lauine
genau zu beobachten, um möglichst zuverlässige Angaben machen zu
können, namentlich über die oberste Anbruchstelle derselben.
Den Aussagen ortskundiger Personen darf man indeß nicht
unbedingtes Vertrauen schenken; man muß dieselben durch sorgfältiges
Studium der Bodenverhältnisse und Oberflächenbeschaffenheit prüfen,
und nur wenn sie mit den gewonnenen Erfahrungen übereinstimmen,
als richtig annehmen. Es gibt gar verschiedene Gründe, welche die
Ortskundigen zu ungenauen Angaben zu bewegen vermögen. So
ist mir wiederholt vorgekommen, daß mich die Bodengestaltung
veranlaßte, zu bemerken, daß möglicherweise der Anbruch der Lauine
doch noch etwas höher, als angegeben worden, stattfinden könnte,
worauf dann gewöhnlich die Antwort erfolgte, es komme dies nur
ausnahmsweise vor. Eine solche Ausnahme kann aber schon im
ersten Jahre nach erstelltem Verbau eintreten und bedroht dann
nicht nur das ganze Werk, sondern nimmt dem Volke zugleich auch
das, anfangs ohnedies noch schwache Vertrauen in die Sache und
damit auch in das betreffende Personal.
Findet der Anbruch einer Lauine an ausgedehnten, schroffen
Felspartien statt, so darf an eine Verbauung begreiflicherweise nicht
weiter gedacht werden; sind dagegen die Hänge nur von Felsbändern
oder einzelnen Felspartien unterbrochen, oder hat man es nur mit
einer felsigen Schlucht (Rinne, Kamin) zu thun, so ist eine Ver
bauung möglich, und es frägt sich dann nur noch, ob die diesfülligen
Kosten in einem richtigen Verhältniß zum Vortheil stehen, der mit
der Verbauung erreicht werden kann.
Kurvenkarten in so großem Maßstabe, daß die Kurven das
Terrain zum Entwurf eines Lauinenverbaues im Büreau hinreichend
genau bezeichnen, besitzen wir nicht; besondere Aufnahmen kommen