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I. Theil. Theorie.
§ 66. Fassung des Magnetisirungsproblems. Fassen wir
die vorhergehende Entwickelung der Grundzüge der Theorie der
magnetischen Induktion nochmals zusammen. Wir haben gesehen,
wie die uns zur Verfügung stehenden magnetischen Felder, sei es,
dass diese von fremden Magneten oder von stromdurchflossenen
Leitern (deren Inneres wir hierbei ausser Acht lassen) erzeugt
werden, immer lamellar-solenoidal vertheilt sind. Bringen wir in
ein solches Feld einen beliebig gestalteten ferromagnetischen Kör
per, so lässt sich dessen Magnetisirung ohne weiteres nicht be
stimmen. Es lassen sich nur die allgemeinen Bedingungen an
geben, denen die verschiedenen magnetischen Grössen genügen
müssen, und die wir analytisch und geometrisch formulirt haben.
Wir fanden, dass die als bereits existirend vorausgesetzte Mag
netisirung selbst ein lamellar vertheiltes Feld erzeugt, welches sich
mit dem ursprünglich vorhandenen zusammensetzt, sodass auch
das resultirende totale Feld eine lamellare Verth eilung auf weist,
d. h. ein skalares Potential besitzt. Wir führten dann den
Kirchhoff’sehen Ansatz ein, nach welchem sowohl die Magneti
sirung wie die Totalinduktion dem so zusammengesetzten totalen
Felde wiederum in jedem Punkte gleichgerichtet sein muss. Wir
leiteten daraus ab, dass jene beiden Vektoren komplex lamellar
vertheilt sein müssen; dass überdies die Totalinduktion unter allen
Umständen solenoidal vertheilt ist, und dass dies für die Magneti
sirung in allen denjenigen praktischen Fällen ebenfalls merklich
zutrifft, in denen mit genügender Annäherung
gesetzt werden kann.
Durch die Aufstellung dieser Bedingungen gewinnen wir, ganz
abgesehen von deren rein theoretischem Interesse, bereits einen
tieferen Einblick in die vorliegende Frage, indem die Beachtung
derselben bei vielen thatsächlich vorkommenden experimentellen
und konstruktiven Aufgaben eine gewisse Richtschnur ergibt. Der
Lösung des allgemeinen magnetischen Induktionsproblems jedoch,
welches darin gipfelt, die Magnetisirung eines beliebig gestalteten
Körpers in einem beliebig vertheilten inducirenden Felde voll
kommen zu bestimmen, sind wir dadurch kaum näher gerückt.
Zwar lässt sich mit einem gewissen Aufwande von potential
theoretischen Sätzen scharf beweisen, dass diese Lösung eine ein
deutige ist. Indessen ist das eines jener analytischen Resultate,