Kiepert, Auflösung der Gleichungen fünften Grades.
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auf ganz anderem Wege zu analogen Formeln geführt wurde*), und zwar
stellte sich unsre gegenseitige Beziehung merkwürdiger Weise so, dass er
mir auf mein Schreiben, durch welches ich ihm im December 1877 mein
Resultat mittheilte, antworten konnte, er sei den Tag vor Ankunft meines
Briefes gerade zu derselben Formel gelangt**).
Im Folgenden habe ich diese Untersuchungen von meinem Standpunkte
aus eingehend dargestellt, und habe namentlich im letzten Paragraphen
ausgeführt, wie sich nunmehr die Lösung der allgemeinen Gleichungen
fünften Grades gestalten lässt. Wesentlich ist dabei für mich die neue
Arbeit von Herrn Gordan***) gewesen, auf die ich weiter unten noch zu
sprechen komme.
Die Zielpunkte, die Herr Kronecker im Auge hat, und die nur zu
erreichen sind, wenn man Functionen mit zwei Parametern zur Lösung jener
Gleichung sechsten Grades verwendet, sind bisher noch ausser Acht ge
lassen, ich hoffe aber, in dem Folgenden bereits die Grundlage für weitere
Entwickelungen zu besitzen, die auch in dieser Hinsicht befriedigen.
§. 1. Methode von Herrn Kronecker.
Zunächst soll die sinnreiche Methode, die Herr Kronecker gegeben
hat, mit einigen Worten auseinandergesetzt werden, und zwar will ich dies
in einer Form thun, die ich zum Theil wörtlich einer brieflichen Mittheilung
von Herrn Weierstrass verdanke.
Die Auflösung der allgemeinen Gleichung fünften Grades lässt sich
abhängig machen von der Lösung der Gleichung
(1.) (/*+a) 5 (/* + 5a) + 10&(/* + a) 3 + 4c(/ ?2 -fa) + 56 2 —4ac = Of),
in der f die Unbekannte bezeichnet, während a, b, c rational aus den
Coefficienten der Gleichung fünften Grades und der Quadratwurzel aus ihrer
Discriminante zusammengesetzt werden. Diese Gleichung für f ist zwar
von höherem Grade als die ursprüngliche, gleichwohl aber viel einfacher,
*) Klein, Ueber Transformation der elliptischen Functionen und die Auflösung
der Gleichungen fünften Grades. (Math. Annalen Band 14 p. 111—172.)
**) Vergl. Seite 147 der eben citirten Abhandlung.
***) Gordan, Ueber Auflösung der Gleichungen vom fünften Grade. (Math.
Annalen Band 13 p. 375—404.)
f) Um Irrungen zu vermeiden, möchte ich erwähnen, dass hier, dem Beispiele
von Herrn Kronecker folgend, immer -f-a und -f-c gesetzt ist, wo bei Herrn Brioschi
— a und — c steht.
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n. öcnroter, Theorie der Überdachen zweiter
Ordnung und der Raumcurven dritter Ordnung
als Erzeugnisse projectivischer Gebilde. Nach
Jakob Steiners Principien auf synthetischem
Wege abgeleitet. Leipzig, Teubner, 1880. 720 S.
gr. 8°. M. 16. ™ "
Jakob Steiner sagt in der Vorrede zu seinem
Hauptwerke „Systematische Entwickelung der Ab
hängigkeit geometrischer Gestalten” (Berlin i832), dass
Gründlichkeit und mit dem Zwecke entsprechender
Vollständigkeit zu einem organischen Ganzen zu
sammengestellt, sodass das mathematische Publikum
dem geschätzten Herrn Verf. zu aufrichtigem Danke
für sein schätzbares Werk verpflichtet ist.
An diesen Dank sei noch die Bitte geknüpft,
dass HerrSch. dem vorliegenden Buche noch manche
Fortsetzung folgen lasse.
Hannover. L. Kiepert.