Full text: Sonderdrucke, Sammelband

Persönliche Erinnerungen an Karl Weierstraß 
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Minuten vor ganz in den Hörsaal kommt und uns mit den Worten 
anredet: 
„Entschuldigen Sie, meine Herren, ich hohe noch gestern meine Uhr 
ganz genau gestellt, aber genau eine Stunde zu spät.“ 
Das andere Mal kam er erst gegen dreiviertel und entschuldigte 
sich mit den Worten: 
„Meine Herren, Sie sind ja selbst Mathematiker und wissen, wie es 
einem gehen kann, wenn man sich bei einer Aufgabe festgerannt hat “ 
Weierstraß schrieb bei seinen Vorlesungen nicht selbst an die 
Tafel. In der ersten Vorlesungsstunde versuchte er es wohl; da man 
aber wußte, daß es ihm wegen seines körperlichen Befindens schwer 
fiel, stand einer der Studenten auf und übernahm das Amt des Tafel- 
anschreibers. Ich selbst habe dieses Amt 4 oder 5 Semester hindurch 
verwaltet. Das war nicht immer ganz leicht. Das eine Mal z. B. wollte 
Weierstraß in der Geometrie der Lage einen schwierigen Satz be 
weisen. Das gelang ihm aber nicht. In seiner Verlegenheit forderte 
Weierstraß mich auf, den Beweis zu führen; ich versagte aber eben 
falls, so daß die Vorlesung abgebrochen werden mußte. In der nächsten 
Stunde verkündete Weierstraß, es sei uns beiden nicht zu verargen, 
daß uns der Beweis des Satzes nicht gelungen wäre, denn der Satz selbst 
sei nicht richtig. 
Merkwürdigerweise hat Weierstraß es mir gegenüber nie mit 
einem Worte erwähnt, daß ich sein Tafelanschreiber gewesen bin. Die 
fehlenden Worte ersetzte er aber durch Taten, aus denen ich sein 
Wohlwollen und sein gutes Herz deutlich ersehen konnte. Das erste 
Zeichen gab er mir, als ich noch ein junger Student war. Da redete 
er mich, ehe er in den Hörsaal eintrat, mit den Worten an: „Nun, 
Herr Kiepert, jetzt sind Sie ja auch unter die Schriftsteller gegangen\“ 
und als ich nicht gleich wußte, worum es sich handelte, erzählte er 
mir, daß in den Nouvelles-Annales von Gerono & Bourget die Lösung 
einer geometrischen Aufgabe von mir veröffentlicht sei und zwar mit 
einer besonders lobenden Bemerkung des Herausgebers. Noch 14 andere 
Lösungen der Aufgabe seien eingegangen, aber keine sei so elegant 
wie die meinige. Die sei deshalb auch allein zum Abdruck gekommen. 
Die Freude, mit der mir Weierstraß diese Mitteilung machte, werde 
ich nie vergessen. 
Dem ersten Zeichen des Wohlwollens folgten bald andere. Mein 
höchster Wunsch war es, in die akademische Laufbahn einzutreten, 
aber es fehlten mir die pekuniären Mittel, lange Zeit als Privatdozent 
auf eine besoldete Professur zu warten. Da verschaffte mir Weierstraß, 
Mathematische Wissenschaften. 
H. Schröter, Theorie der Oberflächen zweiter 
Ordnung und der Raumcurven dritter Ordnung 
als Erzeugnisse projectivischer Gebilde. Nach 
Jakob Steiners Principien auf synthetischem 
Wege abgeleitet. Leipzig, Teubner, 1880. 720 S. 
gr. 8°. M. 16. 
Jakob Steiner sagt in der Vorrede zu seinem 
Hauptwerke „Systematische Entwickelung der Ab 
hängigkeit geometrischer Gestalten” (Berlin i832), dass 
n bestehen werde, 
vei andre in Ver- 
von diesen sieben 
■nen, sodass der 
bahnbrechenden 
in selbst zur Aus- 
7 wurde sein Plan 
Schritt gefördert, 
Herren Schröter 
während das vor- 
Abschluss dessen 
tematischen Ent- 
hier behandelten 
1er damals bekannt 
hat aufser den 
herrühren, alle 
i Gebiete publiciert 
gesichtet und zu 
net. Zum grofsen 
hungen des Herrn 
welche das Werk 
ikte zwischen dem 
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Aufl. Hannover 
doch der Unter- 
grofser, wie vor 
sein mag. Herr 
Lethoden und Be 
zieht auch Mafs- 
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itige Hyperboloid, 
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die Focalkegel- 
ischaften, über die 
)rdnung u. dgl. m. 
enden Stoffes sehr 
wol auch zuzu 
schreiben ist, dass sich der Herr Verf. auf die Unter 
suchung der Flächen zweiter Ordnung und der 
Raumcurven dritter Ordnung beschränkt hat. Nur 
im letzten Paragraphen findet sich eine kurze An 
deutung über das Vorkommen einer Fläche dritter 
Ordnung, insofern sie der geometrische Ort für die 
Pole einer Ebene in Bezug auf die sämmtlichen 
Flächen eines Flächenbündels zweiter Ordnung ist. 
Dagegen sind alle Untersuchungen, welche sich aut 
die Flächen zweiter Ordnung und auf die Raum 
curven dritter Ordnung beziehen, mit rühmenswerter 
Gründlichkeit und mit dem Zwecke entsprechender 
Vollständigkeit zu einem organischen Ganzen zu 
sammengestellt, sodass das mathematische Publikum 
dem geschätzten Herrn Verf. zu aufrichtigem Danke 
für sein schätzbares Werk verpflichtet ist. 
An diesen Dank sei noch die Bitte geknüpft, 
dass Herr Sch. dem vorliegenden Buche noch manche 
Fortsetzung folgen lasse. 
Hannover. L. Kiepert. 
27- 
296 
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