Full text: Sonderdrucke, Sammelband

Persönliche Erinnerungen an Karl Weierstraß 
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einmal weiß, ob sein Nachfolger seine Ansicht teilt und das fortsetzt, 
was er in die Wege geleitet hat. Durch derartige Bedenken ließ sich 
aber Weierstraß nicht abhalten. Und es gelang ihm auch, zahlreiche 
Übelstände zu beseitigen, die man schon viele Jahre früher hätte be 
seitigen müssen, und viel Neues zu schaffen, was noch vielen Genera 
tionen zum Segen gereichte. 
Das Verhältnis zwischen ihm und den anderen Mathematikern 
Kummer, Kronecker und Borchardt war damals ein ausgezeich 
netes. Als ich einmal von Freiburg aus nach Berlin kam, besuchte ich 
die drei zuletzt genannten Herren am Vormittag, Weierstraß traf ich aber 
erst gegen Abend. Der wußte aber schon alles genau, was ich mit den 
drei anderen Herren am Vormittag gesprochen hatte. 
Leider wurde ja später das Verhältnis zwischen Weierstraß und 
Kronecker getrübt. Die Schuld daran lag aber gewiß nicht an 
Weierstraß. 
Als ich ein anderes Mal bei Weierstraß zu einer Abendgesell 
schaft eingeladen war, aber mit seiner Erlaubnis etwas später kam, 
waren bei meiner Ankunft schon alle Gäste versammelt. Weierstraß 
empfing mich mit den Worten: 
„Ehe ich Sie den Herrschaften vor stelle, will ich Ihnen ein Rätsel 
aufgeben. Unter den anwesenden Hamen ist eine Mathematiker in, welche 
/st das wohl?“ Darauf antwortete ich: 
„Das ist nicht schwer, das ist natürlich die Harne, die neben Ihnen 
sitzt“ Das stimmte auch, es war Sonja Kowalewski, die ich zum 
Lohn für mein richtiges Raten als Tischdame erhielt, und mit der ich 
mich vorzüglich unterhalten habe. 
Die außerordentliche Forschergabe, die Weierstraß selbst besaß, 
traute er auch seinen Schülern zu. Ja, er glaubte mitunter, sie könnten 
es noch besser als er selbst. Mir z. B. hatte Weierstraß ein Thema 
zur Doktordissertation empfohlen, an dem ich zwei Jahre hindurch mit 
rastlosem Eifer gearbeitet habe, aber ohne jeden Erfolg. In meiner 
Verzweiflung ging ich zu Weierstraß und zeigte ihm, was ich nieder 
geschrieben hatte. Nachdem er sich meine Rechnungen sorgfältig an 
gesehen hatte, sagte er: 
„Ja, genau so habe ich es auch versucht r bin aber zu nichts gekommen“ 
Daß es mir nachher doch geglückt ist, etwas Brauchbares zu finden 
und eine annehmbare Dissertation zu schreiben, bereitete mir dann eine 
um so größere Genugtuung. 
In nähere Beziehung bin ich später noch mit Weierstraß getre 
ten bei Herausgabe der St ein er sehen Werke, mit der ihn die Berliner 
Akademie beauftragt hatte. Weierstraß verteilte das gesamte Mate- 
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Mathematische Wissenschaften. 
H. Schröter, Theorie der Oberflächen zweiter 
Ordnung und der Raumcurven dritter Ordnung 
als Erzeugnisse projectivischer Gebilde. Nach 
Jakob Steiners Principien auf synthetischem 
Wege abgeleitet. Leipzig, Teubner, 1880. 720 S. 
gr. 8°. M. 16. 
Jakob Steiner sagt in der Vorrede zu seinem 
Hauptwerke „Systematische Entwickelung der Ab 
hängigkeit geometrischer Gestalten” (Berlin i832), dass 
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schreiben ist, dass sich der Herr Verf. auf die Unter 
suchung der Flächen zweiter Ordnung und der 
Raumcurven dritter Ordnung beschränkt hat. Nur 
im letzten Paragraphen findet sich eine kurze An 
deutung über das Vorkommen einer Fläche dritter 
Ordnung, insofern sie der geometrische Ort für die 
Pole einer Ebene in Bezug auf die sämmtlichen 
Flächen eines Flächenbündels zweiter Ordnung ist. 
Dagegen sind alle Untersuchungen, welche sich aut 
die Flächen zweiter Ordnung und auf die Raum 
curven dritter Ordnung beziehen, mit rühmenswerter 
Gründlichkeit und mit dem Zwecke entsprechender 
Vollständigkeit zu einem organischen Ganzen zu 
sammengestellt, sodass das mathematische Publikum 
dem geschätzten Herrn Verf. zu aufrichtigem Danke 
für sein schätzbares Werk verpflichtet ist. 
An diesen Dank sei noch die Bitte geknüpft, 
dass Herr Sch. dem vorliegenden Buche noch manche 
Fortsetzung folgen lasse. 
Hannover. L. Kiepert.
	        
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