URZEITUNG 1881 Nr. 8.
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Mathematische Wissenschaften.
H. Schröter, Theorie der Oberflächen zweiter
Ordnung und der Raumcurven dritter Ordnung
als Erzeugnisse projectivischer Gebilde. Nach
Jakob Steiners Principien auf synthetischem
Wege abgeleitet. Leipzig, Teubner, 1880. 720 S.
gr. 8°. M. 16.
Jakob Steiner sagt in der Vorrede zu seinem
Hauptwerke „Systematische Entwickelung der Ab
hängigkeit geometrischer Gestalten” (Berlin i832), dass
dieses ganze Werk aus fünf Teilen bestehen werde,
mit denen er aufserdem noch zwei andre in Ver
bindung bringen wolle. Leider ist von diesen sieben
Teilen nur ein einziger erschienen, sodass der
Grundgedanke dieses scharfsinnigen, bahnbrechenden
Forschers nur teilweise durch ihn selbst zur Aus
führung kam. Erst im Jahre 1867 wurde sein Plan
dadurch um einen wesentlichen Schritt gefördert,
dass seine Vorlesungen durch die Herren Schröter
'■ und Geiser herausgegeben wurden, während das vor
liegende Buch gewissermafsen den Abschluss dessen
bildet, was Steiner in seiner systematischen Ent
wickelung zu geben beabsichtigte.
Allerdings ist der Umfang des hier behandelten
Stoffes sehr viel gröfser als er Steiner damals bekannt
sein konnte, denn Herr Sch. hat aufser den
Ideen, welche von Steiner selbst herrühren, alle
Arbeiten, welche seitdem auf diesem Gebiete publiciert
worden sind, sorgfältig gesammelt, gesichtet und zu
einem einheitlichen Ganzen geordnet. Zum grofsen
Teil sind es sogar eigene Untersuchungen des Herrn
Verf. oder die seiner Schüler, durch welche das Werk
bereichert worden ist.
Obwol manche Berührungspunkte zwischen dem
vorliegenden Buche und demjenigen von Herrn
Reye, „Geometrie der Lage” (2. Aufl. Hannover
| 1877—80) vorhanden sind, so ist doch der Unter
schied zwischen beiden ein sehr grofser, wie vor
trefflich auch jedes in seiner Art sein mag. Herr
Sch. schliefst sich eng an die Methoden und Be
zeichnungen von Steiner an und zieht auch Mafs-
bestimmungen in den Kreis seiner Betrachtungen.
Dadurch konnte eine sehr grofse Anzahl von inter
essanten Untersuchungen berücksichtigt werden, die
sonst fehlen würden, z. B. die Untersuchungen über
den orthogonalen und den gleichseitigen Kegel, über
das orthogonale und das gleichseitige Hyperboloid,
über das allgemeine Tetraeder, über die Durchmesser
der Curven dritter Ordnung, über die Focalkegel-
schnitte und ihre metrischen Eigenschaften, über die
Kreisschnitte der Flächen zweiter Ordnung u. dgl. m.
Dies hat die Fülle des zu verarbeitenden Stoffes sehr
vergröfsert, ein Umstand, dem es wol auch zuzu
schreiben ist, dass sich der Herr Verf. auf die Unter
suchung der Flächen zweiter Ordnung und der
Raumcurven dritter Ordnung beschränkt hat. Nur
im letzten Paragraphen findet sich eine kurze An
deutung über das Vorkommen einer Fläche dritter
Ordnung, insofern sie der geometrische Ort für die
Pole einer Ebene in Bezug auf die sämmtlichen
Flächen eines Flächenbündels zweiter Ordnung ist.
Dagegen sind alle Untersuchungen, welche sich aut
die Flächen zweiter Ordnung und auf die Raum
curven dritter Ordnung beziehen, mit rühmenswerter
Gründlichkeit und mit dem Zwecke entsprechender
Vollständigkeit zu einem organischen Ganzen zu
sammengestellt, sodass das mathematische Publikum
dem geschätzten Herrn Verf. zu aufrichtigem Danke
für sein schätzbares Werk verpflichtet ist.
An diesen Dank sei noch die Bitte geknüpft,
dass Herr Sch. dem vorliegenden Buche noch manche
Fortsetzung folgen lasse.
Hannover. L. Kiepert.
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BUM