Die Kontrastübertragungstheorie in der Photogrammetrie
R.-P. MARK
1. Einleitung
Allgemein besteht der Wunsch, die bei der Übertragung
von Informationen auftretenden Verluste zu erfassen
und aus ihnen ein Qualitätsmaß für den Übertragungs
vorgang abzuleiten. Dies gilt nicht nur für unser Fach
gebiet, wo in dem gesamten Übertragungskanal, der
vom Gelände bis zur fertigen Karte reicht, eine ganze
Reihe von Störgliedern enthalten sind, sondern noch
stärker für andere technische Disziplinen, z. B. die elek
trische Nachrichtentechnik. Dort wurde in den letzten
15 Jahren eine Theorie der Informationsübertragung
entwickelt, deren optisches Analogon uns heute unter
dem Begriff der Kontrastübertragungstheorie bekannt
ist [3]. Das Qualitätsmaß für die Übertragung ist — ana
log zum elektrischen Frequenzgang — die Kontrastüber
tragungsfunktion (im folgenden CT-Funktion abgekürzt).
Sie gestattet im Vergleich zu dem bisher wohl verbrei
tetsten Kriterium „Auflösungsvermögen“ eine viel um
fassendere Beurteilung der Bildgüte, weil sie folgende
Eigenschaften besitzt [12], [42], [47]:
a) die Abbildungsqualität für beliebige Objekte wird
vollständig beschrieben,
b) sie läßt sich theoretisch und experimentell gut er
fassen,
c) es läßt sich in einfacher Weise die Wirkung der
Kombination mehrerer Abbildungsstufen wieder
geben.
Als zu übertragende Information dient uns der Kon
trast eines Objekts, das aus sinusförmigen Lichtinten
sitätsverteilungen besteht [26], [36] (Bild 1 a)
K =
B
~B
max
max
-B„
(1)
Der Objektkontrast K wird nach einem linearen Über
tragungskanal (in dem nur Phase und Amplitude be
einflußt werden) zum Bildkontrast K' (Bild 1 b)
IC =
T)l 70/
D max min
\ T)/
max 1 min
Der Quotient D
D(N) =
K'(N)
K(N)
(2)
ist die Kontrastübertragungsfunktion mit K (N) = const
für alle N. Letzteres ist die Ortsfrequenz der Intensitäts
verteilungen (Bild 2).
Folgen mehrere Übertragungsglieder (Abbildungen)
nacheinander, so ist die Gesamtfunktion
D (N) = D, (N) • D 2 (N) • D 3 (N) ■ ■ ■ D n (N). (3)
Wird statt von einer sinusförmigen von einer rechteck
förmigen Intensitätsverteilung im Objekt ausgegangen,
wie das bei praktischen Versuchen meist der Fall ist,
dann wird das Objekt als Fourierintegral dargestellt,
in dem man es als aus einzelnen elementaren sinus-
und cosinusförmigen Verteilungen zusammengesetzt
betrachtet. Die CT-Funktionen bei rechteck- und sinus
förmigen Verteilungen können durch Gleichung (4) in-’
einander überführt werden:
D„(N) = -- {d(V)-|ß(3V) +1 D{5N) —+-•••). (4)
Bei mehreren Übertragungsgliedern gilt
D n (N) = -i {ö, (N) • D 2 (N) • ■ • D n (N)
- j Di (3 N) • D 2 (3 N) • • • D (3 N) + j . (5)
Den gesamten photogrammetrischen Prozeß wollen wir
in Bildaufnahme und -auswertung teilen [30], [43], [44].
Bei der Aufnahme wird durch die Atmosphäre, das
Flugzeug und seine Bewegung, die Aufnahmekammer
und die photographische Emulsion die Bildgüte vermin
dert. Bei der Auswertung wirken sich der Kopierprozeß
und das optische System des Auswertegerätes negativ
aus. Die CT-Funktionen dieser Vorgänge werden — so
weit dies möglich ist — im folgenden zusammengestellt.
2. Der tlbertragungskanal „Bildaufnahme“
2.1. Die Atmosphäre
Die Güte eines Luftbildes ist von der Sicht innerhalb
der Atmosphäre abhängig, die ihrerseits wieder von
sehr vielen Faktoren bestimmt wird [1], [2]. [4], [15], [40],
[41], [46].
Zwei Arten der atmosphärischen Einflüsse können
unterschieden werden [44]. Die erste Art ist die Licht
streuung infolge Dunst. Stets gelangt etwas Sonnenlicht
direkt in das Objektiv der Aufnahmekammer (Luftlicht
infolge Aerosol) und stets erreicht nur ein Teil des vom
Objekt ausgehenden Lichtes das Objektiv [25]. Die da
durch entstehende Kontrastminderung ist keine Funk
tion der Ortsfrequenz des Objektes auf der Erdober
fläche, sondern eine gleichmäßige Reduktion über alle
Frequenzen.