Bildwanderung und Auflösungsvermögen
G. Voß
Der Einfluß der im Moment der Belichtung auftretenden Bild
wanderung auf die Bildgüte ist in der Literatur von verschie
dener Seite behandelt worden. Er läßt sich auf relativ ein
fache Weise durch die Abnahme des Bildkontrastes darstellen;
die CT-Funktion der Bildwanderung [1] ist eine der wenigen,
die sich auch theoretisch eindeutig fixieren lassen.
In Abhängigkeit von der Kontrastreduktion besteht ferner
eine direkte Beeinflussung des Auflösungsvermögens ([2], [3],
[4] u. a.). Die Wahrnehmung eines Bilddetails hat das Vor
handensein eines gewissen Kontrastes zur Voraussetzung.
Die Auflösung geht im Falle der Bildwanderung dann ver
loren, wenn gemäß der CT-Funktion der Endkontrast Null
erreicht wird; dies ist der Fall, wenn der Betrag der Bildbe
wegung cl etwa gleich dem Kehrwert 1/w der betrachteten
Ortsfrequenz ist. Tatsächlich geht die Auflösung bereits bei
Erreichung der Kontrastschwelle des Auswerteorgans, d. h.
in den meisten Fällen des menschlichen Auges, verloren.
Dieser zunächst einfache Zusammenhang ist im allgemeinen
Fall nicht unmittelbar für eine theoretische Behandlung des
Problems (zur Aussage zu erwartender Bildgüteverschlechte
rung) verwendbar, da die übrigen übertragenden Glieder bei
der Luftbildaufnahme nicht ideal sind. Theoretisch denkbar
ist die Ableitung der komplexen CT-Funktion und daraus der
Auflösungsgrenze; dies ist heute noch nicht befriedigend lös
bar. Die aus der Literatur bekannten Untersuchungen be
schreiten daher z. T. einen anderen Weg. Es wird versucht,
einen Zusammenhang zwischen den Auflösungswerten der
einzelnen Übertragungsglieder (bei Voraussetzung idealen
Verhaltens der übrigen) und der Endauflösung des Gesamt
komplexes zu finden.
Eine geeignete Formel wurde durch Schade [4] angegeben.
Hiernach ist das Quadrat der endaufgelösten Gitterkonstante
1/w gleich der Quadratsumme der den einzelnen Übertragungs
gliedern zuzuordnenden Auflösungswerte:
111 1
w 2 w 2 1 ' w 2 2 1 ' n 2 n
Setzt man demnach für d = 0 eine Auflösung l/w 0 an, so
ergibt sich mit der obigen Annahme l/n^^d eine Gesamt-
auflösung von
oder
1
n = w 0 .
]/ 1 + d 2 n 2 0
Die Gültigkeit dieser Beziehung war Gegenstand einer Unter
suchung, deren nachfolgend angeführtes Resultat als Beitrag
zum Problem der Abhängigkeit Bildwanderung/Bildgüte
dienen möge.
Als Meßobjekt dienten Dreilinienteste in Form von grauen
Tuchstreifen auf schwarzem Untergrund mit numerischem
Ausgangskontrast c 0 = 0,85, die im Gelände ausgelegt wur
den. Die Gitterkonstanten wurden mit j/10 abnehmend
gewählt.
Die Teste wurden mit einer Jenaer Normalwinkelkammer
MRB 21/1818 aus den Flughöhen 750 m, 1500 m und 3000 m
aufgenommen.
Die Fluggeschwindigkeit betrug ca. 70 m/s.
Die verschiedenen Bildwanderungsbeträge wurden durch
Variation der Belichtungszeiten im verfügbaren Bereich
1 / 50 1 / 5 oo s erreicht. Da die Kammer eine feste Blende 1 : 4
besitzt, wurden zur Einhaltung einheitlicher Belichtungen
neutrale Graufilter vorgeschaltet.
Die Verwendung der kürzesten Bildfolgezeit ergab für jede
Kombination eine ausreichende Anzahl Aufnahmen, wobei die
Abbildung der Teste unter verschiedenen Bildwinkeln die
Berechnung des jeweils mittleren Auflösungsvermögens über
Bildanteilgewichte mit guter Sicherheit ermöglichte.
Das Diagramm zeigt die Auftragung der gewonnenen mitt
leren Auflösungswerte in Abhängigkeit von der aus Flugge
schwindigkeit, Belichtungszeit und Bildmaßstab errechneten
Bildwanderung; die ausgleichende Kurve ergibt die gesuchte
Abhängigkeit. Da der Testflug bei sehr klarem Wetter durch
geführt wurde, sind die Resultate der verschiedenen Flug
höhen unter Vernachlässigung des Dunsteinflusses zusammen
gefaßt worden.
Die Ergebnisse enthalten ursprünglich noch einen gewissen
Anteil an Vibrationseinflüssen. Diese sind unter der Annahme,
daß ihre Auswirkung auf die Auflösungsminderung bei nicht
zu hohen Frequenzen dem gleichen Gesetz folgt, nach der
Schadeschen Formel eliminiert worden. Hierzu wurden die
Auflösungswerte der in Flugrichtung liegenden, also nicht
von der linearen Vorwärtsbewegung des Flugzeuges beein
flußten Testfiguren benutzt, wobei vereinfachend angenom
men wurde, daß in Längs- und Querrichtung gleichartige
Vibrationen auftreten.
Die im Diagramm eingetragenen Werte sind bereits reduziert;
die Reduktion ist hauptsächlich im unteren, gekrümmten
Kurvenverlauf spürbar und beträgt etwa 3 bis 4 Linien/mm.
Die Eintragung des aus der obigen Formel errechneten Zu
sammenhangs (gestrichelte Linie) zeigt, daß die Abweichung
vom empirisch ermittelten Verlauf höchstens 2 bis 3 Linien/mm
ausmacht. Offensichtlich ist jedoch diese Abweichung nicht
zufälliger Natur. Diese Erscheinung läßt sich unter Umständen
damit begründen, daß bei niedrigen Ortsfrequenzen und hohen
Bildwanderungsbeträgen eine Beeinflussung der Kontrast
und damit der Auflösungswahrnehmung durch die breiten
Verwaschungssäume der abgebildeten Figuren eintritt, die
einer erhöhten Kontrastschwelle gleichkommt.
Die Kurve zeigt, daß bei einer Bildwanderung von d = 50 ¡um
ein Auflösungsabfall von 28 auf 15 Linien/mm eintritt, so
daß bei einem als noch ausreichend angenommenen Verlust
von 50% in Flugrichtung dieser Wert als Grenze bei der Wahl
der Belichtungszeit unter den obigen Bedingungen angehalten
werden muß.
Schrifttum
[1] Meier, H.-K.: Diskussion der Bewegungsunschärfe bei
Luftbildern mit Hilfe einer Kontrastübertragungsfunktion.
BuL 1960 Nr. 2.
2] Rabuschkin, I. W.: Der Einfluß der Bildwanderung auf
das fotografische Auflösungsvermögen (russ.). Z. f. wiss. u.
angew. Photogr. u. Kinematographie. Bd. 3 (1958), Heft 3.
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