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Die Verwirklichung dieses Vorschlages führt zu einem Geräte
aufbau mit horizontaler Anordnung der Meßbilder und einer
ganz beachtlichen Ausweitung des Anwendungsbereiches zum
Überweitwinkel hin. Ebene Linealsysteme besitzen daneben
den Vorzug, daß sie recht massiv auszuführen sind. Sie be
nötigen keine Entlastungsfedern oder Entlastungsgewichte
und können für den Antrieb von Korrektionsmechanismen
größere Kräfte übertragen als Raumlenker.
Vor allem die sich ständig deutlicher abzeichnende Tendenz
der Erweiterung des Sortimentes von Luftbildmeßkammern
verschiedener Brennweite (bei gleichem Bildformat) führte
1961 den Verfasser zu dem Versuch des Entwurfes eines uni
versellen photogrammetrischen Auswertegerätes, das hin
sichtlich des Bildwinkels der Aufnahmegeräte praktisch keine
Begrenzungen hat. Sowjetische Fachkollegen hatten dieses
Ziel nur insoweit verfolgt, daß sie eine befriedigende Lösung
für die Auswertung von Überweitwinkelmeßbildern suchten.
Praktisch erreicht hatten sie die Auswertung von 55-Milli-
meter-Meßbildern (des Bildformates 18 cmX 18 cm), jedoch
entweder als Näherungslösung oder aber mit Einführung zu
sätzlicher mittelbarer Orientierungselemente (für Dezentrie
rungseinstellungen). Eine solche Konzeption muß jedoch zu
einer unliebsamen Belastung des Orientierungsvorganges füh
ren. Es wurde deshalb vor allem nach einer Lösung gesucht,
die diesen Nachteil vermeidet. Der nachfolgend beschriebene
Entwurf ist auf eine generelle Lösung der Auswertung von
Meßbildern mit unterschiedlichen Kammerkonstanten ausge
richtet. Aufgebaut wird auf dem Grundgedanken .— wie auch
beim SPR-2 und SD — der differentiellen mechanischen Ent
zerrung des Meßbildes. Hierdurch erfolgt eine exakte Rück
führung der allgemeinen Aufnahmedisposition auf den Ver
schwenkungsfall der Stereophotogrammetrie. In diesem Falle
kann eine Affinauswertung erfolgen (vgl. hierzu [1]).
Bild 6 zeigt schematisch die Wirkungsweise des vorgeschlage
nen mechanischen Projektionssystem.es. Die Einleitung der
Bewegung erfolgt in gewohnter Weise von der Projektions
ebene her auf die ebenen Lineale (1) und (2). Als feste Para
meter sind im Rechner eingestellt die Konstante des Aufnahme
gerätes Cfc = c a ix), die Komponenten der Nadirdistanz cp und a>
und das Übersetzungsverhältnis Je der Nürnberger Schere N.
Wenn Lineal (1) aus seiner Nullstellung ausgelenkt wird, ent
steht über der Zwischenebene 3 die Größe c a( yy die zugleich
auch den Abstand von zu 0 steuert. Lineal (2) erzeugt in
gleicher Weise c am , welches Steuergröße für den oberen Teil
der Nürnberger Schere ist. Besitzt N den Vergrößerungs
faktor Je, so ist die Strecke 0(0) = Je c am . In den Führungen
33^ und 33y entstehen die den Koordinaten x und y ent
sprechenden Koordinaten eines um cp und co geneigten Meß
bildes mit der Bildkonstanten c* * = c a ^ x \- Man sieht bereits
an dieser Darstellung, daß die Lineale (I) und (2) nicht mehr
die Komponenten der räumlichen Zielstrahlenrichtungen
kongruent repräsentieren. Die in der Projektionsebene lie
genden Größen x und y bleiben unverändert, wenn das Ver
hältnis c am : (z) gleich bleibt. Es ist also möglich, den Schwenk
bereich der Projektionslineale auf einen beliebigen, von der
Konstruktion zu bestimmenden Wert zu begrenzen. Die über
der Zwischenebene 3 gekennzeichneten schraffierten Vierecke
werden bei kleinen Nadirdistanzen näherungsweise Rechtecke
sein. Trotz extrem großer Bildwinkel ergeben sich so für den
Projektionsrechner immer günstige Schnittbedingungen der
Lineal- und Führungsgruppen. Es sei darauf hingewiesen, daß
sich Übereinstimmung mit unseren bisherigen konventionellen
Vorstellungen dann ergibt, wenn als Übertragungskoeffi
zient in der Nürnberger Schere der Wert 1 gewählt wird.
Zur mathematischen Ableitung der Projektionsgleichungen
benutzen wir das Bild 6. Es ist:
c a iy) = c a cos cp — x sin cp (10)
Cam = c a(y) COS CO — y sin CO =
= (c a cos cp — x sin cp) cos co — y sin tu (11)
Wenn weiter:
0 (0) = Je c am und (z) = Je z
folgt
X cos cp + c a sin cp x
— — = — y L Z)
Je \(c a cos cp — x sin cp) cos co •—■ y sin co Jez
und
y COS CO + (C a COS cp X Sill cp) sin CO y
Je |(c a cos <p — x sin cp) cos co — y sin co Jez
Aus (12) und (13) erhalten wir schließlich:
* = cgaw.jp + Scoop z (14)
(c a cos cp — X sin cp) cos co — y sin co
(c a cos cp — x sin cp) sin co + y COS CO z
^ (c a cos cp — x sin cp) cos co — y sin co
Die Gleichungen (14) und (15) (vgl. hierzu [4]) beschreiben
eine Perspektive Umbildung der Bildkoordinaten x, y eines
geneigten Meßbildes mit der Konstanten c a auf eine horizon
tale Projektionsebene Dabei erfolgt die Drehung co um die
Primär-, die Drehung cp um die Sekundärachse. Durch Ver
tauschung von cp, co; X, y; x, y wird auch dieses angenommene
Achssystein gewechselt.
Aufmerksam zu machen ist vor allem noch auf die materielle
Realisierung der Größe c am . Betrachten wir einen bestimmten
Bildpunkt eines geneigten Bildes, so sorgt der über der Zwi
schenebene 3 angeordnete Mechanismus für eine Umbildung
in eine horizontale Bildebene mit der Momentankonstanten
Cam- Diese Momentankonstante ändert sich in einem um cp
und co geneigten Meßbild von Punkt zu Punkt; sie ist letzten
Endes ein Parameter für den differentiell wechselnden Maß
stab des Meßbildes. Seine Entnahme könnte z. B. von Inter
esse sein beim Anschluß von Folgegeräten. Vor allem wären
hier zu nennen Einrichtungen zur differentiellen fotografischen
Entzerrung von Meßbildern bergigen Geländes.
In seiner Zielsetzung verfolgt dieser Mechanismus das gleiche
wie die schon erwähnten Geräteentwürfe mit „mathematischer
Projektion“. Ob dem einen oder anderen Prinzip der Vorzug
zu geben ist, entscheidet jedoch letztlich neben der Möglich
keit der konstruktiven Beherrschung der notwendige techni
sche Aufwand, der sich für den Benutzer im Gerätepreis und
in dem Grad der Störanfälligkeit darstellt.
Bemerkenswert erscheint dem Autor die Tatsache, daß es
sich um 3 Entwürfe handelt, die durch Zerlegung der räum
lichen Zielstrahlenrichtungen in zueinander senkrechten Riß
ebenen charakterisiert werden können. In diesem Sinne er
scheinen sie als gradlinige Fortsetzung der Versuche W.
Sanders anfangs der zwanziger Jahre, aus dem Stereoauto
graph ein für die Auswertung von Luftmeßbildern geeig
netes Gerät zu entwickeln. Dieser Lösungsweg galt über
Jahrzehnte hinweg — mit Ausnahme der terrestrischen
Photogrammetrie — als kaum noch entwicklungsfähig.
Schrifttum
[1] Schoeler, H.: Erweiterung des Anwendungsbereiches
des Stereoautographen, Jena-Nachr. Kompendium Photo
grammetrie Sdr.-Bd. VI. Vermessungs-Informationen, Sonder
heft B (Photogrammetrie).
[2] Schoeler, H.: Einige Bemerkungen zum Stereoprojektor
Romanowski SPR-2, Vermessungstechn. (1961) 10, S. 308 bis
312.