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Erweiterung des Anwendungsbereiches
des Stereoautograph 1318 aus JENA
H. Schoeler
Als der Stereoautograph 1318 entstand, war nicht vorauszu
sehen, daß die terrestrische Photogrammetrie erneut an Be
deutung zunehmen und vor allem die nichttopographischen
Bereiche der terrestrischen Photogrammetrie mehr und mehr
in den Vordergrund rücken würden. Umgekehrt kann natür
lich heute gesagt werden, daß vielleicht erst mit den neuen,
modernen Geräten für die terrestrische Photogrammetrie die
Voraussetzungen für deren Weiterentwicklung und Anwendung
auf topographischem und nichttopographischem Gebiet ge
geben waren.
In den letzten Jahren ist eine erstaunlich hohe Zahl von
Stereoautographen in die verschiedensten Länder geliefert
worden. Für die Auswertung von Phototheodolitmeßbildern
des Formates 13 cm X 18 cm mit Kammerkonstanten zwischen
157 mm und 198 mm gibt es genügend praktische Beispiele,
die die Zweckmäßigkeit und Leistungsfähigkeit des Instru
mentariums unter Beweis stellen.
Im zunehmenden Maße kommen für Sonderaufgaben Auf
nahmekammern zur Anwendung, die hinsichtlich des durch
Bildformat und Kammerkonstante festgelegten Bildwinkels
die Bereiche des Stereoautograph überschreiten. Vorwiegend
handelt es sich dabei um Weitwinkelmeßbilder, für deren Aus
wertung der Stereoautograph als wenig geeignet angesehen
wird. In Einzelfällen betrifft es aber auch die Auswertung von
Meßbildern die mit Meßkammern extrem langer Kammer
konstante aufgenommen wurden. Während es im Bereich der
topographischen Photogrammetrie durchaus möglich er
scheint, die Bildwinkel der Meßkammern innerhalb gewisser
Gerätegruppen, ähnlich den Luftbildäufnahmegeräten, zu
standardisieren, kann solchen Bestrebungen in dem Bereich
der nichttopographischen Anwendung der terrestrischen
Photogrammetrie kaum ein Erfolg vorausgesagt werden. Es
ist aber andererseits auch nicht möglich, eine Vielzahl von
Auswerteeinrichtungen zu bauen, die den verschiedensten
Bedingungen Rechnung tragen. Zweck der nachfolgenden Aus
führungen ist es zu zeigen, daß sich der Stereoautograph in
weit größerem Umfange für die genannten Arbeiten einsetzen
läßt, als das gemeinhin angenommen wird.
Der Stereoautograph löst bekanntlich die Transformation von
ebenen Bildkoordinaten zweier stereoskopischer Meßbilder
der in Bild 1 dargestellten Aufnahmedispositionen.
Dabei werden die Gleichungen
b ■ Ck
y =
Px
(1)
b • x'
X —
Px
(2)
b • zf
z =
Px
(3)
für den ,,NormalfalV 1 und
b-c k x"
y = (cos (p + — sin cp)
Px C k
(4)
% = (cos cp + sin cp)
Px c k
(5)
b ■ z' , x" .
Z = (cos Cp + — sin Cp)
Px C k
(6)
für den ,,Verschwenkungsjall u gelöst.
In den Formeln (1) bis (6) bedeuten: x, y, z die Raumkoordi
naten, x' x" z' die Bildkoordinaten, p x — x' — x" die Hori-
zontalparallaxe, b die Aufnahmebasis, c k die Konstante der
Aufnahmekammer und cp den Verschwenkungswinkel der
Aufnahmerichtungen zum Lot auf die Basis.
Die Konzeption des Stereoautograph besteht in der kongru
enten Rekonstruktion der Aufnahmestrahlenbündel durch ein
mechanisches Lenkersystem, wobei die räumlichen Richtungen
in Grund- und Aufriß zerlegt werden. Es ist jedoch belanglos,
ob man den Stereoautograph in diesem Sinne als mechani
sches Projektionsgerät oder allgemein als Analogrechner auf
faßt, wie dies bereits Sander getan hat. Dieser zweite Weg,
der den Stereoautograph als Einrichtung zur mechanischen
Lösung von Gleichungssystemen ansieht, erscheint uns für die
folgenden Betrachtungen der geeignetere. Die Formeln (1),
(2) und (3) für den „Normalfall“ zeigen, daß als einzige Raum
koordinate y von der Kammerkonstanten c k abhängig ist.
Führt man bei der Auswertung wegen der begrenzten Einstell
bereiche eine von der Aufnahmekammerkonstanten abwei
chende Auswertekammerkonstante ein, so wird das Modell,
je nachdem, ob das Verhältnis c^/c^ größer oder kleiner als
1 ist, in y-Richtung gestaucht oder gezerrt. Diese Stauchung
oder Zerrung könnte ohne Schwierigkeiten bei der Über
tragung der Meßwerte auf den Zeichentisch durch geeignete
Wahl der Übersetzungsverhältnisse für x und y eliminiert
werden. In Einzelfällen hat man von dieser Möglichkeit auch
bereits Gebrauch gemacht. Man hat aber wohl fast immer
übersehen, daß ein solches Vorgehen auch für gleichmäßig
verschwenkte Aufnahmerichtungen Gültigkeit besitzt. Diese
Tatsache kann man sich nur durch die sehr verbreitete enge
Auffassung des Stereoautograph als Gerät mit Wiederher
stellung der Aufnahmestrahlenbüschel erklären.
Wir gehen von den Formeln (4), (5) und (6) aus.
Nach Bild 2 können wir die Basis in Komponenten parallel
zu den Raumkoordinatenrichtungen zerlegen.
b x = b • cos cp (7)
b y — b • sin cp (8)
Da die Formeln (5) und (6) für x und z vollkommen gleich
artig aufgebaut sind, können wir uns auf die Betrachtung
von (4) und (5) beschränken. Führen wir (7) und (8) ein, dann
erhalten wir aus (5)
x —
x'
Px
b x +
x' x'
CkPx
(9)
Wir nehmen an, daß c k außerhalb des Einstellbereichs des
Auswertegerätes liegt und ersetzen deshalb bei der Auswertung
c k durch c a . Im Bestreben, eine Eliminierung dieses Fehlers zu
erreichen, setzen wir für by by* und erhalten mit diesen Ge
räteeinstellungen bei der Auswertung die Raumkoordinate
x* = — b x +
Px
x' x”
( ‘a Px
(10)
Setzen wir die Formel (9) gleich (10), d. h. x — x*, dann folgt
die Bedingung
c a by*' ^ * c a
Ck by c k
(11)