Full text: Commissions II (Cont.) (Part 4)

wollen versuchen, für den Arbeitsbereich der Vermes 
sungstechnik 1 ) und besonders der Photogrammetrie die 
Grenzen zu bezeichnen, die nach dem heutigen Stand un 
serer Kenntnis den Automaten gegenüber dem Menschen 
gesteckt sind. Dabei können die Leistungsgrenzen des 
Menschen für die uns interessierenden Funktionen als hin 
reichend bekannt und konstant angenommen werden. 
Der Mensch hat ja größenordnungsmäßig 10 5 Jahre Zeit 
gehabt, sich an seine — zuerst natürliche und dann in 
schnell wachsendem Maße immer künstlicher werdende — 
Umwelt anzupassen. Die Grenzen der Automaten sind da 
gegen im quantitativen un d qualitativen Sinne fließend; 
unsere Aussagen können sich mit leidlicher Sicherheit nur 
auf die heute bekannten Leistungen beziehen. Wir werden 
billigerweise dem vergleichsweise „embryonalen“ Ent 
wicklungsstand der Automaten einiges zugute halten 
müssen. 
Da wir in der Vermessungstechnik und in der Photo 
grammetrie das betreiben, was man heute als Daten 
gewinnung und Datenverarbeitung bezeichnet, so werden 
uns besonders Automaten aus dem Gebiet der nachrich 
tenverarbeitenden Systeme interessieren. Eine allgemein 
befriedigende, genaue Definition eines Automaten 
ist heute schwer zu geben. Zweifellos muß der Begriffs 
umfang weit über denjenigen des allgemeinen Sprach 
gebrauchs hinausgehen, der (lt. Brockhaus) eine „selbst 
tätig arbeitende Vorrichtung“ meint, die „nach Auslösen 
einer Hemmung bestimmte Tätigkeiten ausführt“ und 
seine Beispiele einerseits noch in Spieluhren und Waren 
automaten, andererseits schon in Werkzeugmaschinen 
findet. Wir verzichten darauf, den Versuch einer schärfe 
ren Definition an den Anfang zu stellen, da die später be 
handelten Beispiele den Begriff „Automat“ hinreichend 
umschreiben werden. 
Wir wollen unser Thema in drei Schritten behandeln. Zu 
erst stellen wir die Frage: Auf welche Eigenschaften und 
Fähigkeiten kommt es in Vermessungstechnik und Photo- 
grammetrie an ? Dann werden wir im einzelnen prüfen, 
welche Leistungen und Grenzen für Mensch und Automat 
für die gefundenen Funktionen heute -—und möglicher 
weise morgen — bestehen. Schließlich werden wir fünf 
Klassen von Automaten mit progressiv gesteigerten 
Leistungen aufstellen, mit denen unsere Aufgaben gelöst 
werden können, und deren Realisierung untersuchen. 
1. Vergleichspunkte zwischen Mensch und Automat 
Wenn wir die Aufgaben und Tätigkeiten des Geodäten 
und Photogrammeters analysieren, ist es nicht schwer, 
diejenigen Gruppen von Eigenschaften und Fähigkeiten 
herauszufinden, hinsichtlich welcher Menschen und Auto 
maten miteinander konkurrieren müssen. Wir gehen da 
von aus, daß die Grundtätigkeit dasMessen ist, und zwar 
in der modernen Vermessungstechnik das Messen mit op 
tischen Hilfsmitteln. Neben anderen beim Messen be 
teiligten Sinneswahrnehmungen kommt es also haupt 
sächlich auf die optischen Wahrnehmungen an. Die 
Beurteilung der Fähigkeit zu optischen Wahrnehmungen 
‘) Unsere Überlegungen gelten grundsätzlich auch für die allge 
meine Vermessungstechnik. Wegen der — im Gegensatz zur 
Photogrammetrie -—• geringen Informationsdichte bei „klassi 
schen“ geodätischen Messungen ist dort oft eine Automation aus 
wirtschaftlichen Gründen nicht zweckmäßig. 
bei Mensch und Automat wird sich auf deren Umfang, 
Feinheit, Genauigkeit und Zuverlässigkeit, auf Schnellig 
keit und Ausdauer erstrecken. Eine häufig vor kommende 
Operation ist das Beurteilen oder Herbeiführen der Ko 
inzidenz zweier Striche. Es wird meist übersehn, daß eine 
mindestens gleich wichtige Fähigkeit das Erkennen von 
Gestalten ist, wie z. B. das Lesen von Zahlen auf einem 
Maßstab oder das Identifizieren topographischer Gegen 
stände im Luftbild. Besondere Probleme bietet für einen 
Automaten das stereoskopische Sehen. 
Schon für das Zustandekommen, mehr noch für die Ver 
arbeitung der optischen Wahrnehmungen braucht das 
biologische oder technische System ein Gedächtnis. 
Dieses muß die Wahrnehmungen für kürzere oder längere 
Zeit möglichst vollständig und unverändert speichern und 
bei Bedarf schnell reproduzieren. Quantitative Bewer 
tungen liefern: die Kapazität des Gedächtnisses, die 
Schnelligkeit der Speicherung und der Herausgabe der 
gespeicherten Daten sowie der benötigte Aufwand (Raum 
bedarf, Gewicht) für die Speichermittel. 
Jede Verarbeitung der Wahrnehmungen, ihre Verknüp 
fung miteinander, ihr Vergleich mit gespeicherten Daten, 
ihre rechnerische Auswertung erfordern eine große Zahl 
von logischen Entscheidungen. Ob man das Ver 
mögen hierzu als Denken bezeichnen will, ist eine Frage 
des Sprachgebrauches. Wenn jemand z. B. rechnete: 
19 X 12 = (20 x 12) — 12 — 240 — 12 = 228, so sagte 
man früher, er habe „gedacht“. Heute ist man nicht ge 
neigt, einem programmgesteuerten Rechenautomaten, der 
z. B. ein umfangreiches System linearer Gleichungen selb 
ständig auflöst, dieses Prädikat zuzuerkennen. Ein Kyber 
netiker stellte kürzlich boshaft fest, man habe offenbar 
für den Begriff „Denken“ eine gleitende Definition ein 
geführt, die jeweils den Bereich bezeichne, der gerade 
für Automaten nicht erreichbar sei. Der Begriff werde da 
durch immer anspruchsvoller und bezeichne Leistungen, 
die ein normaler Alltagsmensch gar nicht mehr zu erfüllen 
vermöge. 
Wir stellen ferner fest, daß die Fähigkeit, durch Erfah 
rung zu lernen, auch in der Vermessungstechnik von 
Nutzen ist. Wir nehmen diese daher in unsere Liste auf. 
Dazu bemerken wir gleich, daß eine befriedigende, allge 
mein gültige Definition des Begriffes „Lernen“ schwer zu 
geben ist. Wir kommen darauf noch zurück. 
Als letzte und wohl schwierigste Fähigkeit finden wir bei 
unserer Analyse das Abstraktionsvermögen, d. h. 
die Fähigkeit, Nebensächliches und Zufälliges zugunsten 
eines Allgemeingültigen zu unterdrücken, somit die Zu 
gehörigkeit eines Gegenstandes zu einer Klasse von 
Gegenständen zu erkennen, mit anderen Worten: festzu 
stellen, daß ein Gegenstand die Merkmale eines bestimm 
ten Begriffes erfüllt. Als Beispiel nennen wir das Erkennen 
einer Brücke im Luftbild. 
Wir fassen zusammen. Um die Leistungen von Menschen 
und Automaten im Bereich der Vermessungstechnik und 
Photogrammetrie miteinander zu vergleichen, wollen wir 
die folgenden fünf Fähigkeiten als Vergleichspunkte un 
tersuchen: 1) die Fähigkeit zu optischen Wahrneh 
mungen verschiedener Art einschließlich der Gestalt 
wahrnehmung und der stereoskopischen Wahrnehmung, 
2) kurz- und langfristige Gedächtnisleistungen, 
3) die Fähigkeit, logische Entscheidungen zu treffen,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.