die künstliche „Maus im Labyrinth“ gezeigt, die auf
Grund gesammelter Erfahrungen ihren Weg zielsicher
durch das Labyrinth nahm. Es ist sicher, daß von den das
Problem „Lernende Automaten“ bearbeitenden For
schungsgruppen in der nächsten Zeit manche überra
schenden Ergebnisse zu erwarten sind [5]. Für Vermes
sungstechnik und Photogrammetrie sind von besonderer
Wichtigkeit solche Lernvorgänge, die mit dem Erkennen
von Zeichen Zusammenhängen. Ansätze dazu wurden
bei einfachen Aufgaben dieser Art, z. B. dem automati
schen Erkennen der Bodenbedeckung aus Luftbildern,
bereits mit Erfolg in Angriff genommen. Bei diesem Bei
spiel handelt es sich um flächenhafte Strukturen oder
Texturen, denen durch lichtelektrische Abtastung Kur
ven von Photoströmen zugeordnet werden können, die
mit Standardkurven zu vergleichen sind, um z. B. zu dem
Interpretätionsergebnis „Nadelwald“ zu führen.
2.5. Abstraktionsvermögen. Solange topographi
sche Gegenstände in topographischen Karten durch ab
strahierte Symbole zeichnerisch dargestellt werden, muß
ein Automat, der den Kartengrundriß aus Luftbildern
vollautomatisch zeichnen soll, die von ihm festgestellten
Bildstrukturen in die feststehenden Klassen der topogra
phischen Gegenstände eindeutig einordnen können. Er
muß also, obwohl er nicht, wie der menschliche Sehappa
rat, über die bemerkenswerte Fähigkeit der unmittelbaren
Gest alt Wahrnehmung verfügt, mühsam aus der ermit
telten Verteilung geschwärzter Bromsilberkörner in der
photographischen Schicht seine Schlüsse ziehen. Es ist be
kannt, daß schon ein menschlicher Beobachter hierbei
auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen kann und für Son
deraufgaben einer Spezialausbildung in der Bildinterpre
tation bedarf. Um ein linienhaftes Gebilde als Feldweg,
als befestigte Straße oder als Eisenbahn zu identifizieren,
muß das nachrichtenverarbeitende System, sei es Mensch
oder Automat, zuerst die Beobachtungen von allen zu
fälligen und unwesentlichen Elementen befreien, dann die
Einordnungskriterien zu bestimmen suchen und schließ
lich durch Vergleich mit den in Beschreibungen festge
legten Merkmalen, z. B. einer Landstraße der Klasse I B,
die Begriffsbestimmung vollenden.
Während bei ähnlichen Aufgaben einfacherer Art schon
kleine Kinder ein oft erstaunliches Abstraktionsvermögen
beweisen, bereitet es heute noch technischen Systemen
große Schwierigkeiten, selbst Zeichen festgelegter Form,
wie Zahlen oder Buchstaben, zu erkennen, wenn diese in
verschiedenen Größen, Stellungen, Kontrasten oder in
leicht veränderter Form dargeboten werden. Die im Bank
wesen heute schon benutzten Automaten zum Lesen von
Schecks u. dgl. können nur gedruckte Sonderformen von
Zahlen mit Sicherheit lesen.
Unser Vergleich der uns interessierenden vergleichbaren
Fähigkeiten des Menschen und der heute bekannten Auto
maten hat folgendes ergeben: Technische Systeme
sind bei optischen Beobachtungen überlegen durch ihre
höhere zeitliche und winkelmäßige Auflösung (Zeitlupe,
optische Instrumente), allerdings bei wesentlich größeren
Abmessungen und Gewichten. Sie können Informationen
schneller aufnehmen und abgeben als der Mensch; sie
[5] Steinbuch, K.: Lernende Automaten, Bildm. u, Luftb. 30
(1962), S. 104—113.
können logische Schlüsse in beliebig großer Anzahl schnel
ler ziehen. Sie zeigen keine Ermüdung und sind Irrtümern
weniger unterworfen als der letztere. Beim Menschen ist
der Gesichtssinn heutigen technischen Systemen durch
seine Informationskapazität, die Möglichkeiten der un
mittelbaren Gestaltwahrnehmung und der Raumwahr
nehmung überlegen. Seine Gedächtniskapazität über
trifft die größten heute gebauten Datenspeicher um ein
vielfaches. Seiner Fähigkeit, aus den verschiedensten
Quellen zu lernen, und seinem Abstraktionsvermögen ste
hen bei Automaten heute nur erste Anfangsleistungen
gegenüber.
3. Stufen von Automaten
Nachdem wir die für uns wichtigsten Fähigkeiten der
Automaten abgeschätzt haben, können wir eine Stufen
folge der für Vermessungstechnik und Photogrammetrie
interessanten technischen Systeme aufstellen. Wir be
ginnen mit den bereits hergestellten automatischen Ein
richtungen und ordnen nach den für die Automaten be
stehenden Schwierigkeiten. Dieser erste Versuch einer
Klassifizierung ist sicherlich nicht ohne Willkür; er soll
eine erste Übersicht und Orientierung ermöglichen.
3.1. Zu den Automaten I. Stufe wollen wir diejenigen
zählen, welche Gleichungen in stetiger oder unstetiger
Weise auf lösen. Es lassen sich dabei für unser Arbeits
gebiet leicht drei Gruppen unterscheiden. In der ersten
Gruppe werden optische und/oder mechanische Analo
gien für die Auflösung der Gleichungen benutzt, die in
der Photogrammetrie zwischen den Bildkoordinaten
zweier Bilder und den Modellkoordinaten bestehen. Es
handelt sich hier also um die große Gruppe von Stereo-
kartiergeräten, die nach modellartiger Wiederherstellung
der Aufnahmesituation die Modellkoordinaten unmittel
bar durch optische, mechanische oder optisch-mechani
sche Projektion liefern und daher Projektionsgeräte
genannt werden sollen. Da sie einen Beobachter für die
stereoskopische Einstellung benötigen, ist ihre Arbeits
weise halbautomatisch. Sie formen Bildkoordinaten stetig
und ohne Zeitverzug in Modellkoordinaten um. Die ersten
Vertreter dieser (heute gelegentlich auch als „klassisch“
oder „konventionell“ bezeichneten) Gruppe waren der
Stereoautograph von E. von Orel (1907) und der Doppel
projektor von M. Gasser (1915).
Zur zweiten Gruppe zählen wir solche Stereokartiergeräte,
welche die Aufnahmesituation nicht mehr als Modell nach
bilden, sondern die Modellkoordinaten mittels mechani
scher oder elektrischer Rechenschaltungen bestimmen
(Rechengeräte). Auch diese arbeiten stetig und halb
automatisch. Ein Beispiel ist das bekannte Stereotop von
Zeiss. Hierher gehört auch der Analytical Plotter nach
Helava, bei dem die Rechnungen nicht auf analogem
Wege, sondern durch einen Ziffernrechner ausgeführt
werden.
Handelt es sich bei den beiden ersten Gruppen um hoch
spezialisierte Geräte, so wollen wir als dritte Gruppe die
universell verwendbaren programmgesteuerten Digit al-
und Analogrechner aufführen, von denen besonders
die Digitalrechner in der Vermessungstechnik in großem
Umfang verwendet werden. Über ihre Eigenschaften
braucht daher nichts gesagt zu werden. Es ist bekannt,
daß sie den Menschen vor allem durch Schnelligkeit und
Axisdauer übertreffen,