B. Andere Anwendungen der Photogrammetrie im Vermessungs- und Kartenwesen
1. Kataster- und ähnliche Anwendungen
Vorbemerkung:
Deutschland verfügt über ein vollständiges Katasterkartenwerk, das bereits im vorigen
Jahrhundert geschaffen worden ist und für den weitaus größten Teil Deutschlands bis etwa
zum Jahre 1875 fertig vorlag. Die Katasterkarten sind hinsichtlich ihrer Entstehungsart, ihrer
Genauigkeit, ihres Inhalts und ihrer Mafstabsverhültnisse in den einzelnen deutschen
Ländern außerordentlich unterschiedlich. Ursprünglich ist das Kataster überall als Steuer-
kataster, d.h. als Grundlage für eine gerechte Verteilung der Grundsteuern eingerichtet
worden. Bei Einführung des Grundbuchs um 1900 wurde das Kataster die Grundlage des
Grundbudhs. Es nimmt am óffentlichen Glauben des Grundbuchs teil; die im Kataster ver-
zeichneten Eigentumsgrenzen gelten bis zum Nachweis des Gegenteils als richtig. Das Kataster
wurde damit zum Eigentumskataster. Heute hat das Kataster darüber hinaus die Aufgabe,
die Grundlage für alle amtlichen topographischen Kartenwerke zu bilden.
Der óffentliche Glaube des Grundbuchs bezieht sich auf die Messungsgrundlagen, auf Grund
deren die Katasterkarten entstanden sind. Bei Katasterneumessungen, wie sie z. B. im Falle
eines Versagens der alten Katasterkarten oder bei einer vólligen Umgestaltung des Grund-
besitzes im Zuge von Flurbereinigungen vorzunehmen sind, müssen daher für jeden Grenz-
punkt durch Proben gesicherte Messungszahlen erbracht werden. Das Kataster soll also nach
den bisher bestehenden Vorschriften ein reines Zahlenkataster sein. Dementsprechend wird
die Genauigkeit des Nachweises der Eigentumsgrenzen durch die Fehlergrenzen für Strecken-
messungen gegeben, die zwar nicht einheitlich für ganz Deutschland festgesetzt sind, für die
aber die folgenden um 1930 von dem ehemaligen Beirat für das Deutsche Vermessungswesen
vorgeschlagenen Werte als Richtschnur dienen können:
Größte zulässige Abweichungen zwischen den Ergebnissen
zweier Streckenmessungen:
unter günstigen Verhültnissen — dr, | 7 0008 // s + 0,0003 s + 0,05
unter mittleren Verhältnissen dn = 0,010 E 0,0004 s 4- 0,05
unter ungünstigen Verhältnissen drj, , — 0,012 Vs -- 0,0005. s -- 0,05
In den Katasterkarten sind neben den Eigentumsgrenzen die Grenzen der Nutzungsarten, die
Bonitütsgrenzen, die Gebäude und die sonstigen topographischen Gegenstände, im allgemeinen
aber keine Höhenlinien, darzustellen. Neue Katasterkarten werden in der Regel auf das deutsche
Finheitskoordinatensystem bezogen; sie werden überwiegend, je nach dem Parzellierungsgrad
und den wirtschaftlichen Verhältnissen des betreffenden Gebietes, in den Maßstäben 1: 1000
oder 1:2000 gezeichnet. Daneben werden in Sonderfällen die Maßstäbe 1: 500 und 1: 5000
verwandt. Die aus der Karte abgegriffenen Maße dürfen nach den Vorschlägen des Beirats
für das Deutsche Vermessungswesen höchstens um das für Streckenmessungen zulässige
MaB d, vermehrt um den Betrag 0,0002 M (1:M — Mafistabverhültnis der Karte), von dem
direkt gemessenen Maß abweichen.
Neben den eigentlichen Katasterkarten wird die „Deutsche Grundkarte 1 : 5000“ hergestellt.
Sie ist eine topographische Karte, die nach 2-km-Linien des deutschen Einheitskoordinaten-
systems abgegrenzt ist und nach ihrer Fertigstellung ganz Deutschland lückenlos überdecken
wird. Die Höhenverhältnisse werden in der Regel durch 1-m-Schichtlinien dargestellt; gege-
benenfalls werden Dezimeterlinien als Hilfslinien eingeschaltet. Der Grundriß der Karte
1:5000 wird, falls möglich, aus den Katasterkarten oder ähnlichen vorhandenen Karten ent-
wickelt. Anderenfalls wird er, ebenso wie die Geländeformen, tachymetrisch oder photogram-
metrisch aufgenommen, wobei die Eigentumsgrenzen in jedem Fall aus den Katasterkarten
übernommen werden. ;
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