Full text: Handbuch der Botanik (1. Abtheilung, 1. Theil, 2. Band)

  
   
   
  
  
    
    
   
  
   
   
  
  
   
   
   
   
   
  
  
  
  
   
   
   
   
   
   
   
   
  
    
  
   
   
   
  
  
  
   
   
   
  
  
  
  
   
   
   
  
   
   
86 System der Pflanzenphysiologie. 
mit relativ betrüchtlicher Kraft festgehalten. Zur Begründung des Gesagten führen 
wir die Resultate einiger von SaAcHs!) angestellter Beobachtungen an. 
Einer Tabakpflanze, die sich in einem aus grobkórnigem Sande bestehenden 
Bodenmaterial entwickelte, wurde, als sie eine betráchtliche Grósse erreicht hatte, 
kein Wasser mehr zugeführt. Als die Pflanze welkte, enthielt der Boden noch 
1,59 Wasser. Der Sand (bei roo? C. getrocknet) vermochte 20,80 Wasser fest- 
zuhalten. Eine zweite Tabakpflanze, welche sich unter ähnlichen Verhältnissen 
wie die erste, aber in einem Lehmboden wurzelnd, entwickelt hatte, welkte, als 
derselbe noch 82 Wasser enthielt. Der absolut trockene Lehmboden war im 
Stande, 52,19 Wasser durch Adhàásionswirkung festzuhalten. 
Das Welken der Pflanzen darf übrigens nicht als Zeichen des günzlichen Auf- 
hórens der Wasseraufnahme seitens der Pflanzenwurzeln angesehen werden. Nur 
dies ist sicher, dass welkende Gewichse mehr Wasser durch die Transpiration 
verlieren, als sie aufzunehmen vermögen. Werden welke Pflanzen vor einer 
ferneren lebhaften Wasserverdunstung geschützt, so erlangen sie ihre Turgescenz 
alsbald wieder. 
Unter Berücksichtigung des hier Gesagten drängt sich die Frage auf, ob die 
Pflanzenwurzeln im Stande sind, aus dem Boden tropfbar-flüssiges Wasser, welches 
ihm in Folge seines Condensationsvermógens für Wassergas zugeführt worden ist, 
aufzunehmen. Jeder feste Körper ist bekanntlich im absolut trockenen Zustande 
befähigt, Wassergas zu tropfbar-flüssigem Wasser zu verdichten. Das Conden- 
sationsvermógen verschiedener Bodenarten ist sehr verschieden, und namentlich 
sind natürlich die besonders feinerdereichen Bóden dazu befähigt, grössere Wasser- 
mengen auf die angegebene Weise zu binden.?) In der Natur kónnen die Bóden 
unter dem Einflusse der Sonnenstrahlen, wie die Untersuchungen von A. MAYERS) 
gezeigt haben, in der That so weit austrocknen, dass ihr Condensationsvermógen zur 
Geltung kommt. Noch vor wenigen Jahren hat man dem Condensationsvermógen 
des Bodens für Wassergas eine grosse Bedeutung für die Vegetation zugesprochen, 
und man glaubte, dass das von den Bodenpartikelchen verdichtete Wasser von 
den Pflanzenwurzeln aufgenommen werden kónne. Zu einer solchen Anschauung 
führten namentlich die Resultate gewisser von SAcHs?) ausgeführten Experimente, 
sowie gewisse allgemeine Erwägungen über die Wasserbilanz der Gewácbse. 
Neuere experimentelle Untersuchungen haben aber mit aller Sicherheit ergeben, 
dass die Pflanzenwurzeln keineswegs im Stande sind, dem Boden sein Conden- 
sationswasser zu entziehen. 
A. MavER?) füllte Blumentópfe mit Sand, Ságespánen oder Mergel an, setzte 
Erbsenkeimlinge in das Bodenmaterial ein und brachte die Erbsenpflanzen, nach- 
dem sie sich krüftig entwickelt hatten, unter Verháltnisse, welche eine bedeuten- 
dere Transpiration der Gewächse nicht ermôglichten. Dem Boden wurde kein 
Wasser mehr zugeführt.®) Die Pflanzen verloren ihre Turgescenz allmáhlich, und 
als sie dem Absterben nahe waren, wurden die Versuche unterbrochen. Das 
1) Vergl. SAcus, Handbuch d. Experimentalphysiologie d. Pflanzen. pag. 173. 
2) Ueber die Verhältnisse, welche sich auf das Condensationsvermógen des Bodens für 
Wassergas beziehen, habe ich mich in meinen naturwissenschl. Grundlagen d. allgem. landwirthschl. 
Bodenkunde, 1876, pag. 231, eingehend ausgesprochen. 
3) Vergl. A. MAYER, FÜHLING’S landwirthschaftl. Zeitung. 1875. pag. 93. 
4) Vergl. SAcHs, Handbuch d. Experimentalphysiologie, pag. 173. 
5) Vergl. A. MAYER, FUHLING’S landwirthschaftl. Zeitung 1875. pag. 93. 
6) Auch Thaubildung war in dem Raume, in welchem die Pflanzen verweilten, ausgeschlossen. 
   
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