90 System der Pflanzenphysiologie.
sind sehr wasserreich. Diese Früchte nehmen aber, wie ich fand, wenn ihre un-
versehrte Oberfläche mit Wasser in Contact geräth, und wenn sie noch nicht das
Maximum ihres Wassergehaltes erreicht haben, doch noch Flüssigkeit von aussen
auf. Die Erscheinung, dass saftige Früchte häufig bei regnerischer Witterung
aufreissen, hat einerseits in einer solchen Wasseraufnahme seitens der Früchte
ihren Grund; insbesondere wird sie aber dadurch bedingt, dass die gesammte
Transpiration der Pflanzen unter den angedeuteten Verhältnissen sehr gering ist,
die Wurzeln dem Boden erhebliche Feuchtigkeitsmengen entziehen, und die
Zellen im Innern der Früchte nun in Folge ihres starken Turgors ein Zerreissen
der weniger dehnbaren Gewebepartien (zumal des Epicarps) herbeiführen.
Das Gewebe vieler Früchte trocknet bei der Reife derselben fast völlig aus,
und wenn die Samen die Früchte nicht verlassen, sondern vom Pericarpium um-
schlossen an die Orte, welche sich für ihre Keimung eignen, gelangen, so ge-
winnt das Verhalten der Gewebe der Fruchtschale dem Wasser gegenüber eine
erhebliche Bedeutung. Mit grosser Leichtigkeit dringt das Wasser z. B. in das
Gewebe der Fruchtschale der Gräser ein. Die Samen der Gramineen quellen in
Folge dessen sehr schnell, und die Evolution des Embryo beginnt bereits, wenn
die in Rede stehenden Schliessfrüchte sich nur kurze Zeit lang mit Wasser in
Contact befunden haben. In anderen Fällen setzen die Gewebe des Pericar-
piums dem Eindringen des Wassers einen grösseren Widerstand entgegen, ein
Verhältniss, welches nicht ohne Einfluss auf den Verlauf gewisser Prozesse bei
der Keimung der vorhandenen Samen sein kann.
e) Wasseraufnahme der Samen. Es ist bekannt, dass die Samen im
reifen Zustande relativ arm ‚an Feuchtigkeit sind. Die vorhandenen Wasser-
mengen reichen durchaus nicht hin, um den Embryo zur Entwicklung anzuregen.
Soll die Keimung der Samen erfolgen, so muss denselben tropfbar-flüssiges
Wasser zugeführt werden, und es handelt sich zunächst um die Frage, welche
Kräfte das Eindringen des Wassers in die Substanz der Samen vermitteln. Vor
allen. Dingen ist. hier auf die Imbibitionskräfte hinzuweisen. Die Testa der
Samen saugt das Wasser von aussen auf, aber wenn die Tagmen der Cellulose-
membranen sich mit Wasserhüllen umgeben haben, so wird ihnen sofort eine
gewisse Feuchtigkeitsmenge von den Tagmen der im Innern der Samen vor-
handenen Gewebemassen wieder entzogen. Dieser Vorgang muss sofort zu einer
erneuten Wasseraufnahme von aussem führen, und auf diesem Wege geht der
Same allmählich in. den gequollenen Zustand über. Ueberdies machen sich
aber bei dem Zustandekommen der Quellung osmotische Prozesse geltend, indem
gewisse in den Zellen der Samen vorhandene Stoffe eine lebhafte Anziehungs-
kraft auf die Wassermoleküle ausüben. Die Zellen füllen sich nach und nach
mit Wasser an; sie turgesciren und geben, wie hier noch bemerkt werden mag,
in Folge des Zustandekommens der osmotischen Vorgänge kleine Quantitäten
anorganischer sowie organischer Stoffe an das Quellwasser nach aussen ab. In
besonderen Fällen treten aber neben den Imbibitionsprozessen und den osmotischen
Vorgängen bei der Quellung der Samen noch anderweitige Prozesse, die zu einer
Wasseraufnahme führen müssen, deutlicher hervor. Die Epidermiszellen der
Testa mancher Samen (Quitten-, Leinsamen etc.) besitzen Membranen, welche
ausserordentlich stark schleimig verdickt sind.!) In Contact mit Wasser umgeben
!) Man vergl. HOFMEISTER, Berichte d. sächs. Gesellschaft d. Wiss, 1858 und FRANK,
PRINGSHEIM’s Jahrbücher f. wissenchaftl. Botanik, Bd. 5. pag. 161.
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