Full text: Handbuch der Botanik (1. Abtheilung, 1. Theil, 2. Band)

      
    
   
  
  
   
  
    
   
    
   
    
    
  
  
   
   
  
   
     
    
  
  
    
    
    
  
   
     
   
    
    
   
  
124 System der Pflanzenphysiologie. 
Grundmasse der Zellen des Embryo und der Reservestoffbehälter, in welchen 
die Proteinkörner mit ihren Einschlüssen ruhen. Ebenso unterliegt es keinem 
Zweifel, dass sich die Proteinstoffe der Krystalloide sowie der Hüllmasse der 
Proteinkörner der Samen auf Kosten solcher Eiweisskörper bilden, die zunächst 
den lebensthätigen Zellen angehörten, und da nun die Proteinsubstanzen der 
reifen Samen in vielen Fällen von ganz anderer Natur wie diejenigen der noch 
in Lebensthätigkeit begriffenen Plasmamassen sind, so muss geschlossen werden, 
dass ein Eiweisskörper das Material zur Bildung eines anderen zu liefern im 
Stande ist. Zu dem nämlichen Resultate gelangt man, wenn man das Verhalten 
der plasmatischen Gebilde der Samen bei der Keimung näher ins Auge fasst. 
Es unterliegt z. B. nach den Untersuchungsresultaten von E. SCHULZE und 
UwurAurT!) keinem Zweifel mehr, dass bei der Keimung der Lupinen das in den 
Cotyledonen des Embryo in reichlicher Menge vorhandene Conglutin das Material 
zur Bildung von Albumin liefert. Bei mikroskopischer Beobachtung der keimenden 
Samen überhaupt, zeigt sich, dass die Proteinkórner in Folge des Quellungsprozesses 
erhebliche Veränderungen erleiden und sich mit der Grundmasse mischen. Bei 
Lupinus luteus nehmen die Proteïnkôrner sehr bald nach Beginn der Quellung 
eine zähflüssige Beschaffenheit an. Dabei schmelzen sie gleichsam von aussen 
ab, oder ihre Auflösung macht sich zunächst im Innern bemerkbar?). Zu gleicher 
Zeit mit diesen Vorgängen nimmt auch der in den Zellen der ruhenden Samen 
im ausgetrockneten Zustande vorhandene Protoplasmaleib seine normale Be- 
schaffenheit wieder an. Ebenso werden die Globoide der Proteinkörner aufgelöst, 
und wenn in einer Samenspecies Krystalloide vorhanden sind, so mischt sich die 
Substanz derselben ebenfalls mit derjenigen der protoplasmatischen Grundmasse, 
Es ist selbstverständlich, dass die Substanz der protoplasmatischen Gebilde 
der keimenden Samen nicht in denjenigen Zellen, in denen sie sich ursprünglich 
befindet, verweilt. Vielmehr findet dieselbe zur Bildung neuer Zellen des sich 
entwickelnden Embryo Verwendung. Diejenigen Beobachter, welche sich mit 
den hier in Rede stehenden Verhältnissen beschäftigt haben, stimmen sämmtlich 
darin überein, dass die plasmatischen, Massen bei der Keimung der Samen mehr 
und mehr aus den Zellen der Reservestoffbehalter verschwinden, um den in 
lebhafter Zelltheilung begriffenen Regionen der sich entwickelnden Pflanzen in 
dem Masse zugeführt zu werden, wie die Evolution des Embryo fortschreitet.)) Die 
stickstoffreichen Substanzen, welche ursprünglich in den Zellen der Reservestoff- 
behélter vorhanden waren, liefern also das Material zur Bildung des Protoplasma- 
leibes der neu entstehenden Zellen. Ebenso werden sie zur Bildung der Zeli- 
kerne sowie der plasmatischen Grundmasse der Chlorophyllkórner der jungen 
Zellen verbraucht, und wenn die Keimpflanzen keine Gelegenheit haben, neue 
lebendige Eiweissmoleküle auf Kosten von stickstofffreien organischen Substanzen 
und Salpetersáure oder Ammoniak zu erzeugen, so müssen die sámmtlichen 
plasmatischen Gebilde der Zellen des Embryo auf Kosten der einmal vorhandenen 
Eiweisskórper entstehen. Unter solchen Umstünden kann die Entwickelung der 
7) Vergl. E. ScHULZE und UwLAUurT, Landwirthsch. Jahrbücher. B. 5. pag. 821. 
?) Vergl. PFEFFER, PRINGSHEIMS Jahrbücher f. wissensch. Botanik. B. 8. pag. 525. 
3) Vergl. namentlich die bekannten Abhandlungen von SAcHs über die Keimung der Samen. 
Botan. Zeitung 1859—63. 
4) Ueber die Entstehung der Chlorophyllkërner in den Pflanzenzellen vergl. man die An- 
gaben von SACHS (Experimentalphysiologie d. Pflanzen, pag. 315); HABERLANDT (botan. Zeitung, 
1877, pag. 362) und MIkoscH (botan. Zeitung, 1878, pag. 516). 
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