der Pflanzenphysiologie.
Von
Dr. W. Detmer,
Professor an der Universität Jena.
Einleitung.
ie Pflanzenphysiologie hat einerseits die Aufgabe, gewisse Phänomene,
welche in Folge des Lebensprozesses der Gewächse hervortreten, zu con-
statiren; vor allen Dingen sucht die Pflanzenphysiologie aber andererseits Auf-
schluss über die den normalen Lebenserscheinungen der vegetabilischen Organis-
men zu Grunde liegenden Ursachen zu gewähren.
In Folge des Lebensprozesses erfahren die chemischen Bestandtheile der
Pflanzen, die in den vegetabilischen Organismen zur Geltung kommenden Kräfte
sowie die Formen einzelner Zellen oder gesammter Pflanzenglieder gewisse Ver-
änderungen, und die Pflanzenphysiologie hat also insbesondere die Ursachen fest-
zustellen, welche diese Veränderungen bedingen.
Während man früher von der Vorstellung ausging, dass in den Organismen
eir? uz besondere Kraft, die Lebenskraft námlich, thátig sei, sucht man heute
einer anderen Anschauung eine tiefere Begründung zu verleihen, wonach die
materiellen Veränderungen ın den Organismen durch dieselben Kräfte bedingt
werden und nach den nämlichen Gesetzen erfolgen wie diejenigen Veränderungen,
welche unbelebte Körper erfahren können.
Damit soll natürlich nicht gesagt sein, dass es bereits heute möglich ist, das
Räthsel des Lebensprozesses zu enthüllen. Unsere Kenntniss von den Lebensvor-
gängen der Pflanzen ist vielmehr noch immer eine sehr geringe und lückenhafte,
aber die physikalisch-chemische Behandlung physiologischer Probleme schafft allein
das sichere Fundament, auf welchem die Wissenschaft mit Aussicht auf Erfolg
weiter bauen kann.
Die Pflanzenphysiologie hat es, da die meisten Gewächse (abgesehen von den
Pilzen sowie einigen höher organisirten Pflanzen) Chlorophyll in gewissen Zellen
ihrer oberirdischen Organe führen, vor allen Dingen mit der Erforschung des
Lebensprozesses der grünen Organismen zu thun. In den folgenden Darstellungen
werden übrigens die physiologischen Vorgánge im Organismus chlorophyllfreier
Pflanzen an geeigneter Stelle Berücksichtigung erfahren.
Was die Behandlung des Stoffes anbelangt, so habe ich mich bemüht, die-
selbe in streng systematischer Weise durchzuführen, wie ich dies ebenfalls in
meinen Vorlesungen über Experimentalphysiologie der Pflanzen thue. Ich
meine, dass dies Verfahren der vorliegenden Schrift nicht zum Nachtheil
gereichen wird, trotzdem der mir zur Disposition stehende beschränkte Raum,
ScuEgNk, Handbuch der Botanik. Bd. II, I