Full text: Handbuch der Botanik (1. Abtheilung, 1. Theil, 2. Band)

4 System der Pflanzenphysiologie. 
des beobachteten Phänomens ausreichten. Erst INGENHOUSZ!) blieb es vorbe- 
halten, auf Grund der Resultate verschiedener Experimente den Satz auszusprechen, 
dass die Gasabscheidung aus Pflanzentheilen durch das Sonnenlicht als solches 
und nicht durch die Wärmewirkung der Sonnenstrahlen bedingt werde. Die 
Pflanzen sind nach INGENHOUSZ im Stande, die »verdorbene Luft, welche durch 
Thiere, brennende Kerzen oder selbst durch Gewichse erzeugt worden ist, »zu 
verbessern.« Der genannte Forscher weist aber immer wieder darauf hin, dass 
dies nur am Tage geschehe, und dass nur die grünen Pflanzentheile im Stande 
seien, dephlogistirend zu wirken. Die Luft ist, wie INGENHOUsz besonders 
betont, ‘als ein wichtiges Nahrungsmittel der Pflanzen anzusehen, und sie 
wird insbesondere von den oberirdischen Theilen der Gewächse eingesogen, 
wührend die Wurzeln die Bestimmung haben, Feuchtigkeit, Salze etc. aufzu- 
nehmen. 
INGENHOUSZ, ursprünglich ein Anháünger der phlogistischen "Theorie, sáumte 
nicht, als er mit den grossartigen Entdeckungen, die am Ende des vorigen Jahr- 
hunderts auf dem Gebiete der Chemie gefórdert worden waren, bekannt wurde 
seine Anschauungen über das Verhalten der Pflanzen der Luft gegenüber, mit 
den neu gewonnenen Ergebnissen chemischer Forschung in Einklang zu bringen. 
Im Jahre 1796 veröffentlichte INGENHOUSZ eine kleine Schrift?) in welcher der- 
selbe betont, dass die grünen Pflanzentheile im Sonnenlicht die Kohlensäure 
der Luft zu zersetzen vermögen. Der Sauerstoff wird abgeschieden, während der 
Kohlenstoff .im vegetabilischen Organismus zurückbleibt. Die Kohlensäure der 
Atmosphäre wird als hauptsüchlichste Kohlenstoffquelle für die Vegetation an- 
gesehen. 
Noch bevor IxcENHOUSZ die zuletzt erwähnte Schrift publicirt hatte, gab 
SENNEBIER?) zwei Bände physikalisch-chemischer Abhandlungen heraus, in 
welchen er unter Hinweis auf die Arbeiten von INcENHOUsz die Resultate seiner 
eigenen Untersuchungen über die hier in Rede stehenden Verháltnisse mittheilt. 
Dieselben stimmen in allen wesentlichen Punkten, mit denjenigen überein, 
welche von INGENHOUSZ gewonnen worden waren, und SENNEBIER hat es ebenso 
spüterhin nicht unterlassen, seine Ansichten über den Assimilationsprozess und 
anderweitige physiologische Prozesse, die im vegetabilischen Organismus zur 
Geltung kommen, in sehr umstindlicher Weise vom Standpunkte der neueren 
Chemie zu beleuchten.*) 
Im Jahre 1804 erschien nun ein berühmt gewordenes Werk THEODORE DE 
SAUSSURE's,) in welchem der Verfasser die wichtigsten Probleme der Ernáhrungs- 
physiologie der Pflanzen mit bewunderungswürdiger Einsicht und Klarheit be- 
leuchtet. Hatten INGENHOUSZ und SENNEBIER die Fragen, welche sich auf die 
Assimilation beziehen, nur ganz im Allgemeinen behandelt, so ging SAUSSURE auf 
das Detail ein. Jenen Münnern war die quantitative Methode fast fremd geblieben; 
1) INGENHOUSZ veróffentlichte seine wichtigen Untersuchungsresultate in seinem Werke: 
Experiments upon vegetables etc. Mir steht die von SCHERER in den Jahren 1786—88 in 
2 Bünden herausgegebene Ausgabe dieses Buches zur Disposition. 
?) Vergl INGENHOUSZ, Die Ernährung der Pflanzen und die Fruchtbarkeit des Bodens. 
Deutsch v. FISCHER. Leipzig 1798. 
3) Vergl. SENNEBIER, Physikalisch-chem. Abhandlungen über den Einfluss des Sonnen- 
lichtes auf alle drei Reiche der Natur. 2 Bände. Leipzig 1785. 
^) Vergl. SENNEBIER, Physiologie végétale. 
5) Vergl SAUssURE, Recherches chimiques sur la végétation. 1804. 
       
  
  
  
  
  
  
  
  
  
    
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
    
   
  
   
  
  
  
  
   
   
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