Full text: Handbuch der Botanik (1. Abtheilung, 1. Theil, 2. Band)

   
  
340 Die Muscineen. 
zelnen Zellen derselben vielzellige Zellscheiben, aus denen nach ihrer Loslósung 
vom Mutterblatte neue Pflanzen hervorgehen, ganz in derselben Weise, wie bei 
den durch Sporenkeimung entstandenen Keimscheiben. — Dass aus Blattfláchen 
von Lopßhocolea etc. auch direkt neue Pflänzchen hervorgehen können, wurde 
oben schon erwähnt und derselbe Vorgang kommt nach gelegentlichen Beob- 
achtungen auch bei andern foliosen Jungermannien vor. — Eine noch grössere 
Mannigfaltigkeit findet sich bei der ungeschlechtlichen Propagation der Laub- 
moose, wie unten geschildert werden soll. 
Rückblick auf die vegetative Gliederung der Lebermoose. Aus 
der vorstehenden Schilderung, der sich leicht noch weitere Einzelheiten beifügen 
lassen, geht hervor, dass die Lebermoose eine grosse Mannigfaltigkeit in ihrer 
vegetativen Gliederung besitzen; Habitus, Blattbildung und Verzweigung lassen 
sich nicht in ein Schema bringen, sondern treten auf in einer Anzahl von Formen, 
die unter sich durch Uebergünge verbunden sind. Was speciell die Vorstellungen 
betrifft, die man sich über die Art und Weise, wie die foliosen Formen aus den 
thallosen hervorgingen, bilden kann, so soll auf dieselbe bei Betrachtung der 
Keimungserscheinungen noch eingegangen werden. Hier mag noch einmal ein 
Umstand hervorgehoben werden, der für die Vegetationsorgane der Lebermoose 
sehr charakteristisch ist, die Thatsache nämlich, dass dieselben mit der alleinigen 
Ausnahme von Rzella und Haplomitrium Hookeri dorsiventral gebaut sind, d. h. 
eine dem Lichte zugewendete Rückenseite besitzen, die anders organisirt ist, als 
die dem Substrate zugewendete Bauchseite. Im einfachsten Falle äussert sich 
diese Dorsiventralitit dadurch, dass nur die Bauchseite Rhizoiden producirt, und 
oben am Vegetationspunkt Keulenpapillen stehen, während auf der Rückenseite die 
Geschlechtsorgane entspringen, so z. B. bei Zea, Aueura etc. Nach deninteressanten 
Ergebnissen, welche LErrcEB bei Untersuchung der Farnprothallien erzielt hat, 
kann es wol kaum einem Zweifel unterliegen, dass auch bei den thallosen Leber- 
moosen das Licht einen bestimmenden Einfluss auf die Dorsiventralität der 
thallosen Lebermoose ausübt, d. h., dass diejenige Seite zur Rhizoidseite wird, welche 
dem Lichte abgewendet ist. In der That hat sich auch bei Versuchen, welche 
Dr. ZIMMERMANN im SAcus'schen Laboratorium in Würzburg unternahm, herausgestellt, 
dass dies sogar bei den Marchantieen der Fall ist. Hier ist die Dorsiventralität 
eine viel ausgeprägtere als bei den thallosen Jungermannien, die Rückenseite 
besitzt in ihrer Lufthöhlenschicht ein scharf charakterisirtes Gewebe, die Bauch- 
seite producirt Schuppenlamellen und Rhizoiden. An den Brutknospen von 
Marchantia und Lunularia ist diese Dorsiventralität noch nicht ausgebildet, sie 
besitzen vielmehr zwei gleiche Seiten. Jede von denselben kann zur Rücken- 
oder zur Bauchseite werden,!) die Entscheidung darüber hängt von äusseren 
Faktoren, speciell von der Beleuchtung ab. Unter normalen Verhältnissen bildet 
immer die dem Substrate zugekehrte Seite Wurzelhaare. Ist die Dorsiventralität 
einmal eingeleitet, so ist sie auch inhärent, und dreht man einen jungen Spross 
nun um, so dass also seine frühere Rückenseite zur Bauchseite wird, so krümmt 
er sich so lange, bis seine ursprüngliche Rückenseite wieder zur Lichtseite 
geworden ist. Sät man Marchantia-Brutknospen auf Wasser resp. Nährstofflösung 
aus, und beleuchtet dieselben durch einen Spiegel von unten, während die 
Seitenwände und die Oberfläche des Glasgefässes umdunkelt sind, so wird die 
dem Lichte zugewendete Unterseite bei hinreichender Lichtintensität zur spalt- 
1) Vergl. MIRBEL a. a. O.: PFEFFER, Studien über Symmetrie und specifische Wachsthums- 
ursachen, Arb. des bot. Instituts in Würzburg, herausgeg. v. SAcHs. L Bd., pag. 77 ff. 
  
         
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
    
      
   
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
   
    
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
   
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