542 System der Pflanzenphysiologie.
Stereiden, die Gewebemassen aber, welche durch Vereinigung der Stereiden
entstehen, als Stereome bezeichnet. In den höheren Gewächsen ist die physio-
logische Arbeitstheilung so weit fortgeschritten, dass keineswegs die sämmtlichen
vorhandenen Zellen die nämlichen Functionen zu erfüllen haben. Gewisse Zellen
schützen den Organismus vor zu starker Transpiration, andere sind assimilatorisch
thätig, andere dienen zumal der Leitung plastischer Stoffe und wieder andere sind
vor allem als Bestandtheile des Skeletes von Bedeutung etc. etc.) Diese
letzteren werden aber als Stereiden bezeichnet, und es kommen hier die Collen-
chymzellen (dieselben sind namentlich für die Festigung noch lebensthätiger,
wachsender Pflanzentheile von Wichtigkeit) die Tracheiden, die Libriform-
fasern sowie die Bastfasern in Betracht.
Die Festigkeit der Stereomzellen ist eine sehr bedeutende; ein Faden frischer
Bastzellen von 1 Quadratmillim. Querschnitt vermag z. B., ohne zu zerreissen und
ohne dass seine Elasticititsgrenze überschritten würde, eim Gewicht von 15 bis
25 Kilogr. zu tragen. Das Tragvermógen des stürksten Stereoms steht demnach
jenem des Eisens nicht nach.
Es ist nun von sehr hervorragendem Interesse, wie zumal SCHWENDENER ein-
gehend nachweist, dass die Anordnung der Stereiden in den Pflanzen derselben
Regel folgt, welche auch von den Technikern bei der Construktion des Ge-
bülkes eines Hauses, eines Thurmes oder einer Brücke in Betracht gezogen
werden. Dabei wird in allen Fillen das Ziel verfolgt, die erforderliche Festig-
keit mit einem móglichst geringen Aufwand von Material herzustellen.
Denken wir uns eine vertikal stehende Construktion, die mit dem einen Ende
in der Erde steckt, an deren oberen Ende aber ein Tau angebracht ist, so muss
dieselbe, wenn sie einem seitlichen Zuge ausgesetzt wird, biegungsfest sein, um
der Zugkraft Widerstand leisten zu können. Es ist klar, dass vor allem die der
Zugstelle zugewandte und die gegenüberliegende Fläche der Construktion dem
Angriff der Zugkraft ausgesetzt sind, und daher muss bei der Herstellung einer
Construktion, die biegungsfest sein soll, zumal darauf geachtet werden, dass einer-
seits die Zuggurtung, andererseits die Druckgurtung derselben aus móglichst
widerstandsfáhigem Material angefertigt werde, während es genügt, als Ver-
bindungsmittel (Füllung) der Gurtungen ein Gitterwerk zu verwenden. Der Quer-
schnitt einer bigungsfesten Construction, wie wir dieselbe hier im Sinne haben,
kann durch ein doppeltes T (T) dargestellt werden, weshalb man kurzweg von
T-Trägern redet. Werden mehrere T-Träger vereinigt, welche die zwischen den
Gurtungen vorhandene Füllung gemeinsam haben, so resultirt eine Construction,
die nicht, wie die erwähnte, nur einseitig biegungsfest erscheint, sondern allseitig
biegungsfest sein kann.
Es ist hier nicht der Ort, im Speciellen auf die Anordnung der Stereiden
in einseitig oder allseitig biegungsfesten Pflanzentheilen einzugehen. Ich erwähne
hier nur, dass namentlich die langen Blätter monocotyler Pflanzen vorzügliche
Beispiele einseitig biegungsfester Pflanzentheile abgeben, während die meisten
Stammgebilde der Gewächse allseitig biegungsfest construirt sind, um dem Ein-
fluss des Windes sowie anderweitiger Verhältnisse einen genügenden Widerstand
entgegen stellen zu können.
!) Es sei übrigens bemerkt, dass die mechanischen Gewebe, wenngleich sie wesentlich zur
Festigung der Pflanzentheile dienen, doch auch in anderweitiger Beziehung von Bedeutung für
den Organismus sein kónnen. Ferner sei erwühnt, dass man diejenigen Gewebe der Fibrovasal-
stránge, die nicht zur Festigung dienen, (Tracheen, Siebrühren etc.) als Mestom bezeichnet,
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