System der Pflanzenphysiologie.
Fünfter Abschnitt.
Erstes Kapitel.
Constatirung der Erscheinungen.
Die Variationsbewegungen der Pflanzen.
8 48. Einleitende Bemerkungen. — Es ist festgestellt worden, dass eine
grosse Anzahl wachsthumsfáhiger Pflanzentheile aus inneren Ursachen oder unter
dem Einfluss äusserer Verhältnisse zu Bewegungen veranlasst werden. Derartige
Bewegungen zeigenz. B. die Schlingpflanzen, die Ranken, die heliotropisch sowie
geotropisch empfindlichen Organe etc., und das gemeinsame charakteristische Merk-
mal dieser mannigfaltigen Nutationen liegt darin, dass dieselben eben nur wach-
senden oder noch wachsthumsfáhigen Pflanzentheilen eigenthiümlich sind, und dass
sie deshalb stets eie nicht wieder rückgángig zu machende Veränderung des
betreffenden Organes zur Folge haben.
Im Gegensatz zu diesen Nutationsbewegungen stehen nun die Variationsbe-
wegungen der Pflanzen. Dieselben kommen gewöhnlich unter Vermittelung be-
sonderer Organe, der Gelenkpolster, auf deren Beschaffenheit wir weiter unten
specieller hinweisen. werden, zu Stande; sie sind ferner im Gegensatz zu den
Nutationsbewegungen wachsender Pflanzentheile nur ausgewachsenen Organen
eigenthümlich, und führen zu Veränderungen derselben, die nachträglich wieder
aufgehoben werden können.
Es ist übrigens zu bemerken, dass die Nutationsbewegungen einerseits und
die Variationsbewegungen andererseits in vieler Hinsicht Uebereinstimmungen
unter einander erkennen lassen und zeigt sich schon darin, dass gewisse Formen
jener so wie dieser Bewegungen durch die nämlichen Ursachen (spontane Ur-
sachen, Beleuchtungsverhältnisse, Berührung, resp. Erschütterung) hervorgerufen
werden können, und ferner ist namentlich zu betonen, dass die durch innere oder
äussere Ursachen bedingten Vorgänge im Innern der reizbaren Zellen in beiden
Fällen erhebliche Analogien zeigen.
Wir haben oft hervorgehoben, dass der Process des Wachsthums nur dann
zur Geltung kommen kann, wenn zwischen dem Zellinhalte einer- und den dehn-
baren Zellschichten andererseits eine gewisse Spannung herrscht. Nur die turges-
cirenden Zellen sind im Stande zu wachsen, und es ist gewiss, dass die Wachs-
thumsgeschwindigkeit einer Zelle in genauer Beziehung zu der Turgorausdehnung
derselben steht.
Einer Veränderung der Wachsthumsgeschwindigkeit einer Zelle
geht daher eine durch innere oder äussere Ursachen veranlasste Erhöhung, resp.
Herabsetzung der Turgorausdehnung der Zelle voraus.
Wenn die Organe der
Pflanzen. in den ausgewachsenen Zustand übergegangen sind, so braucht damit
die Fähigkeit der Zellen, unter dem Einfluss innerer oder äusserer Ursachen
Veränderungen ihrer Turgorausdehnung zu erfahren, noch nicht zu erlöschen.
Verharren die peripherischen Zellschichten nur in einem dehnbaren und elastischen
Zustand, so ist das Zustandekommen von Turgorveränderungen, trotzdem die
Zellen nicht mehr wachsen, keineswegs ausgeschlossen.
Wenn innere oder äussere Ursachen die Turgorausdehnung der Zellen auf
verschiedenen Seiten wachsender Pflanzentheile nicht in derselben Weise ver-
ándern, so rufen dieselben Nutationsbewegungen, d. h. mit Wachsthum der Zellen
verbundene Bewegungen hervor. Die nümlichen Ursachen geben hingegen, wenn
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