System der Pflanzenphysiologie.
Zweites Kapitel.
Die Ursachen der Variationsbewegungen.
85r. Die spontanen Variatjonsbewegungen. Man kónnte von vorn-
herein zu der Ansicht neigen, dass die spontanen Bewegungen, wie dieselben
den Blittern von Desmodium, Mimosa, Oxalis etc. eigenthiimlich sind, zu Stande
kommen, indem immer nur die Turgorausdehnung der Zellen der einen Gelenk-
hälfte eine Steigerung erfährt, die Expansionskraft in der antagonistischen Gelenk-
hälfte aber zunächst keine Veränderung erleidet. Diese Ansicht muss aber als
eine nicht zutreffende zurückgewiesen werden. PFEFFER!) hat nämlich gefunden,
dass die Biegungsfestigkeit der Gelenke beweglicher Blätter unverändert bleibt,
während die Organe beträchtliche Oscillationen ausführen. Dieses Beobachtungs-
resultat zwingt zu der Annahme, dass die Gesammtspannung in den Bewegungsorganen
während der Thätigkeit derselben (natürlich gleich bleibende äussere Bedingungen
vorausgesetzt), keine wesentlichen Veränderungen erleidet, und dass die spontanen
Variationsbewegungen zu Stande kommen, indem die Expansionskraft in der
einen Gelenkhálfte zunimmt, in der antagonistischen Hälfte aber eine ent-
sprechende Abnahme erfährt. Jede Steigerung der Expansionskraft muss mit
einer Wasseraufnahme der betreffenden Zellen, jede Verminderung der Expansions-
kraft mit einem Wasserverlust der Zellen verbunden sein, und somit ergiebt sich,
dass in den Gelenken der oscillirenden Organe fortdauernd eine Wasserbewegung,
die bald nach dieser, bald nach jener Seite hin gerichtet ist, erfolgt.
$ 52. Die durch Veränderung der Beleuchtungsverhältnisse indu-
cirten Variationsbewegungen. Es ist im vorigen Kapitel hervorgehoben
worden, dass die ausgewachsenen Blätter vieler Pflanzen unter dem Einfluss
wechselnder Beleuchtungsverhältnisse (und ebenso, wie hier noch zu betonen, in
Folge von Temperaturschwankungen) Stellungsveränderungen erfahren. Mit Bezug
auf die Ursachen dieser Phänomene kann ich mich kurz fassen, da dieselben in
vieler Hinsicht mit jenen Ursachen identisch sind, welche in wachsenden und zu
nyctitropischen Bewegungen befähigten Pflanzentheilen zur Geltung kommen
(vergl. $ 42).
Die gesammten Variationsbewegungen, welche durch Beleuchtungswechsel zu
Stande kommen, beruhen auf Turgorveränderungen in den bewegungsfähigen
Organen. Während aber bei dem Stattfinden der spontanen Variationsbewegungen
die Biegungsfestigkeit der Blattgelenke keine Schwankungen erfährt, sind die in
Rede stehenden Bewegungen nach PFEFFER’s Untersuchungen mit einer bedeutenden
Veränderung derselben verbunden. Verdunkelung der bewegungsfähigen Organe
erhöht nämlich die Biegungsfestigkeit, die Steifheit und den Gesammtturgor
derselben, während Beleuchtung im entgegengesetzten Sinne wirkt. Die Ver-
dunkelung ruft in den reizbaren Organen eine Zunahme der Turgorausdehnung
aler Zellen hervor, aber diese Zunahme macht sich, gerade wie bei den zu
nyctitropischen Bewegungen befáhigten wachsenden Pflanzentheilen, zunáüchst nur
auf einer Seite der Organe und erst spáter auf der antagonistischen Seite geltend.
Einer Schliessungsbewegung der reizbaren Blátier folgt daher immer eine Oeffnungs-
bewegung derselben, und ebenso kommen noch Nachwirkungsphánomene zu
Stande, die jenen im 42. Paragraph erwähnten sehr ähnlich sind.
853. Die durch Berührung oder Erschütterung hervorgerufenen
7) Vergl. PFEFFER: Die periodischen Bewegungen der Blattorgane. 1875. pag. 88.
8 Pp gung 5. pag
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