554 System der Pflanzenphysiologie.
Gelenkpolster wesentlich behindert. In Folge eines Reizes zieht sich nun das
Parenchym auf der für Reiz empfindlichen Seite der Bewegungsorgane (also z. B.
bei den Hauptblattstielen das Parenchym der Unterseite) zusammen, während sich
die für Reize unmittelbar unempfindliche antagonistische Seite des Parenchyms
ausdehnt. Das Bewegungsorgan wird demnach auf seiner für Reiz empfänglichen
Seite stets concav, auf der entgegengesetzten aber convex, und dadurch wird die
Form der Variationsbewegung der einzelnen Theile des Mimosenblattes bestimmt.
Es handelt sich nun vor allem um die Entscheidung der Frage, weshalb das
Parenchym der reizbaren Seite der Gelenkpolster in Folge eines Reizes eine
Verkürzung erfáhrt, denn diese Verkürzung ist ohne Zweifel als die wesentlichste
Ursache der in Rede stehenden Variationsbewegungen anzusehen. Dabei ist be-
sonders zu betonen, dass die Reizbewegungen, obgleich dieselben schliesslich zu
ganz ühnlichen Stellungsveründerungen der Blátter führen, wie dieselben auch
durch Dunkelheit hervorgerufen werden, dennoch auf ganz anderem Wege wie
diese letzteren zu Stande kommen. Lichtmangel führt ja zu einer Steigerung
des Gesammtturgors der Zellen der Bewegungsorgane und erhóht deren Biegungs-
festigkeit, während es von entscheidender Bedeutung ist, dass, wie BRÜCKE in
einer klassischen Abhandlung nachwies, jerührungen oder Erschütterungen die
Biegungsfestigkeit und Steifheit der Gelenkpolster von Mimosa herabdrücken. Der
genannte Forscher nimmt schon an, dass jede Berührung oder Erschütterung zu
einem Wasseraustritt aus den Parenchymzellen der reizbaren Gelenkhälfte führt,
und die Richtigkeit dieser Anschauung ist durch Prerrer’'s werthvolle Arbeiten
(vergl. namentlich physiologische Untersuchungen, pag. 32) durchaus sicher
gestellt‘ worden.
Wird der Blattstiel einer Mimosa durch einen scharfen Schnitt von dem Ge-
lenk abgetrennt, und die Pflanze nun im dampfgesittigten Raume einige Zeit
lang sich selbst überlassen, so beobachtet man, dass in Folge eines Reizes, dem
das Bewegungsorgan ausgesetzt wird, Wasser aus der Schnittflàche hervorschiesst.
Es sind aber nur die Zellen der reizbaren Seite der Gelenke, welche das
Wasser verlieren, und zwar wird die Flüssigkeit im unversehrten Blatt, nachdem
dieselbe von den früher lufterfüllten Intercellularräumen der Parenchymschichten
der Bewegungsorgane aufgenommen worden ist, in diesen fortgeleitet. Ein kleines
Quantum des in Folge eines Reizes aus den Zellen des Parenchyms der Gelenke
austretenden Wassers geht auch in das Gefüssbündel über, wird in diesem fort
geleitet und veranlasst, wie DUTROCHET sowie PFEFFER zeigten, die bereits er-
wähnte Fortleitung des Reizes von einer berührten Stelle des Mimosa-Blattes zu
einer nicht direkt gereizten. Nach alledem ist also der auf Reiz erfolgende
Wasserverlust des Parenchyms der empfindlichen Gelenkhälfte die Ursache der
Variationsbewegung. Einige Zeit nach eingetretener Reizbewegung füllen sich
die Zellen auf's Neue mit Wasser, und die Mimosenblätter nehmen wieder die-
jenige Stellung an, welche sie vor stattgehabtem Reiz zeigten.
Es ist klar, dass die Zellen des Parenchyms der für Berührung empfindlichen
Seite der Bewegungsorgane der Blätter von Mimosa in Folge eines Reizes eine
Verminderung ihrer Turgorausdehnung erfahren. Ob diese Herabsetzung der
Turgorausdehnung ihre Entstehung aber einer durch die Reizwirkung unmittelbar
hervorgebrachten Senkung der Turgorkraft oder einer Modification der Wider-
standsfáhigkeit der dehnbaren Zellschichten verdankt, konnte bis jetzt nicht mit
Sicherheit ermittelt werden.
Was die Mechanik der Filamentbewegungen von Cynareen anbelangt, so
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