Full text: Handbuch der Botanik (1. Abtheilung, 1. Theil, 2. Band)

54 System der Pflanzenphysiologie. 
bis jetzt noch nicht gelungen, mit Hülfe des Polarisationsmikroskops Aufschluss 
über die Krystallbeschaffenheit der Moleküle der hier erwähnten plasmatischen 
Gebilde zu erlangen, denn dieselben lassen im polarisirten Licht keine Interferenz- 
farben hervortreten; möglich wäre es aber immerhin, dass das Plasma aus 
Krystallmolekülen, die dem regulären Systeme angehörten, bestände. 
Nach den Vorstellungen der modernen Chemie sind diejenigen Gebilde, 
welche NàcEL: als Krystallmoleküle bezeichnet hat, als Aggregate von Molekülen 
anzusehen. Ein jedes dieser Aggregate besteht aus sehr vielen Stürke- oder Zell- 
stoffmolekülen etc., und jedes dieser Moleküle ist aus Kohlenstoff-, Wasserstoff- 
und Sauerstoffatomen zusammengesetzt. Es ist daher ein glücklicher Gedanke 
PrErFFER'SÜ gewesen, die Moleküle NácELís als Tagmen zu bezeichnen?) Die 
verschieden organisirten Gebilde (Stárkekórner, Zellháute und plasmatische Gebilde) 
reprásentiren daher Syntagmen und den einzelnen aus vielen Molekülen be- 
stehenden Tagmen ist in vielen Fállen bestimmt die Krystallbeschaffenheit eigen- 
thümlich. 
Zweites Kapitel. 
Spezielles über die organisirten pflanzlichen Gebilde. 
§ 19. Die Amylumkórner. — Die Amylum- oder Stürkekórner sind im 
Pflanzenreich sehr weit verbreitete Gebilde. Sie entstehen vor allen Dingen in 
den Chlorophyllkórpern als Assimilationsprodukte und werden sehr hiufig als 
Reservestoffmaterial in Knollen und Samen etc. aufgespeichert. Wenn die 
Reservestoffbehälter kein Amylum führen, so sind natürlich anderweitige 
stickstoftfreie Verbindungen (Zucker, Inulin, Fette) vorhanden, welche, wie wir an 
anderer Stelle eingehender sehen werden, im Stande sind, die fehlende Stürke 
in physiologischer Beziehung zu ersetzen. 
Bei mikroskopischer Betrachtung erweisen sich die Stürkekórner als solide, 
mehr oder minder rundliche Gebilde. Die Grósse der Stürkekórner ist sehr ver- 
schieden. NÄGELI, der überhaupt sehr umfassende und gründliche Studien 
über die Beschaffenheit sowie das Verhalten der Amylumkórner angestellt hat, 
giebt an, dass die einfachen Stürkekórner aus dem Samen von Fagus silvatica 
z. B. einen Durchmesser von 6, diejenigen aus dem Samen von Pisum sativum 
aber einen Durchmesser von 65 Mikromill. besitzen.?) 
Sehr beachtenswerth ist die TThatsache, dass die Stärkekôrner eine Schichtung 
erkennen lassen. Haben die Körner eine gehörige Grösse erreicht, so zeigt sich, 
dass sie aus Schichten bestehen, die um einen Mittelpunkt gruppirt sind, der 
aber meist nicht mit dem mathematischen Centrum identisch ist. Betrachtet 
man ein frisches Amylumkorn genauer unter dem Mikroskop, so findet man, 
dass von aussen nach innen abwechselnd dichtere und minder dichte Schichten 
auf einander folgen. Die weicheren Stellen erscheinen röthlich, die dichteren 
weisslich oder bläulich weiss. Wenn man die Stärkekörner mit wasserentziehenden 
Mitteln, z. B. mit absolutem Alkohol, behandelt, so verschwindet die Schichtung, 
1) Vergl. PFEFFER, Osmotische Untersuchungen. 1875. pag. 32. 
7) Die Tagmen reprüsentiren dieselben Gebilde, welche von NAGELI nnd SCHWENDENER 
(vergl. das Mikroskop, 2. Aufl, 1877, pag. 424) als Micellen bezeichnet werden. 
3) Diese und manche der folgenden Angaben entnehme ich dem grossen Werk NAGELI's über 
Stürkekórner. 
       
   
  
  
  
  
  
  
  
   
  
   
  
  
  
   
  
  
  
   
  
    
  
      
    
   
  
   
    
     
   
   
  
   
  
   
     
    
     
    
  
  
    
  
    
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